Energiewende von unten

Die Energie der Zukunft wird dort gewonnen, wo sie verbraucht wird. Eine Vision, die schon heute für einige Privathaushalte und mittelständische Unternehmen Realität geworden ist. Mit kleinen, dezentralen Produktionseinheiten für Solarstrom, Energiespeichern und einem Batterie-Managementsystem können sie sich weitgehend vom öffentlichen Netz und den stetig steigenden Strompreisen abkoppeln. Erste Anlagen zur Eigenversorgung belegen: Es funktioniert.

Während die Energiewende in Deutschland öffentlich zerredet wird, nehmen immer mehr Verbraucher ihre Stromversorgung selbst in die Hand. Sie verbinden damit zwei Ziele: ihr selbst erzeugter Solarstrom ist umweltfreundlich, und er bringt ihnen handfeste finanzielle Vorteile. Denn mit einem Invest von weniger als 25.000 Euro lässt sich ein Einfamilienhaus mit Büro und Elektrofahrzeug komplett mit selbst produziertem Solarstrom versorgen – und der Strompreis für rund 25 Jahre auf dem heutigen Niveau festschreiben. Die ersten Systeme laufen bereits, und ihr Ertrag zeigt: die Rechnung geht auf.

Das Problem: Unausgeglichener Lastgang

Die Eigenversorgung von Privathäusern, Wohnungen oder ganzer Unternehmen mit Solarstrom scheiterte bislang zum einen an der Speicherung der gewonnenen Energie. Zum anderen steht der unausgeglichene Lastgang starr installierter Photovoltaik-Anlagen dem angestrebten Ideal entgegen, die gewonnene Solarenergie sofort zu nutzen. Beide Problemstellungen lassen sich mit nachgeführten Photovoltaik-Anlagen elegant lösen. Denn sowohl für die effiziente Speicherung als auch für den direkten Verbrauch ist ein ausgeglichener Lastgang – sprich: die gleichmäßige Produktion von Solarenergie den ganzen Tag über – erforderlich.

Zur Erklärung: Starr installierte PV-Anlagen haben um die Mittagszeit ihre Produktionsspitze, produzieren aber davor und danach relativ wenig Energie. Das bedeutet: Morgens und abends, wenn ein normaler Haushalt besonders viel Strom benötigt, liefern starre Systeme in der Regel nicht ausreichend Energie. Dies ist bei nachgeführten Anlagen wie etwa den MLD-Nachführsystemen von DEGER anders (MLD steht für Maximum Light Detection): Sie stellen üblicherweise auch zu diesen Tageszeiten genügend Solarenergie zum Direktverbrauch zur Verfügung.

Zweiter wesentlicher Faktor beim Betrieb eines Systems zur Eigenversorgung sind die Stromspeicher. Sie versorgen den Verbraucher mit Energie, wenn die Photovoltaik-Module keinen oder zu wenig Strom liefern.

Nachführung schont Stromspeicher

Auch bei der Speicherung bieten nachgeführte Systeme einen entscheidenden Vorteil. Denn die als Energiepuffer eingesetzten Batterien lassen sich mit gleichmäßigen Einspeisemengen wesentlich schonender aufladen als mit kurzen hohen Spannungsspitzen, wie sie für starre Systeme typisch sind. Dadurch kommt das System mit weniger Batteriekapazität aus – und die Lebensdauer der Stromspeicher verlängert sich signifikant. Als Faustregel gilt: MLD-Nachführung spart rund 30 Prozent Batteriekapazität.

Hinzu kommt der bereits beschriebene Effekt: Während die Sonne am Himmel steht – das gilt im Übrigen auch für Tage mit bedecktem Himmel – liefern nachgeführte Systeme in der Regel ausreichend Energie für den Direktverbrauch. Die Batterien kommen zu diesen Zeiten also nicht zum Einsatz. Beides wirkt sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems aus.

Überschuss sinnvoll nutzen

Mit dem Batterie-Managementsystem kann der Nutzer die Anlage zur Eigenversorgung nach seinen individuellen Wünschen und Rahmenbedingungen steuern. Zunächst wird der Solarstrom, der nicht direkt verbraucht wird, in die Stromspeicher geleitet. Sind die Batterien voll, kann die überschüssige Energie entweder ins Netz eingespeist oder einem anderen Verwendungszweck zugeführt werden – der Aufbereitung von Brauchwasser oder der Versorgung einer Heizungsanlage etwa. Ein Überschuss-Manager im Verteilerkasten steuert auch das ganz nach Bedarf beziehungsweise Priorität des Nutzers.

Davon ausgehend, dass in der Regel noch ein Anschluss an das öffentliche Stromnetz besteht, wird das Batterie-Management beispielsweise so eingestellt, dass die Batterien maximal zu 50 Prozent entleert werden. Ist dieser Minimalwert erreicht, ohne dass aktuell direkt produzierte Solarenergie verfügbar ist, bezieht die Anlage automatisch Strom aus dem Netz. Der Batteriepuffer lässt sich höher oder niedriger stellen. Die 50 Prozent machen Sinn vor dem Hintergrund, dass die Anlage bei Ausfall der öffentlichen Netze den Haushalt oder das Unternehmen auch dann mit Strom versorgen soll, wenn keine direkte Sonnenenergie verfügbar ist.

Der Weg zur autarken Energieversorgung

Wer sich für eine Anlage zur Eigenversorgung entscheidet, will in der Regel nicht Strom produzieren, um ihn ins Netz einzuspeisen und von der Einspeisevergütung zu profitieren. Umso mehr, als die Tage hoher Einspeisevergütungen gezählt sind – ein Trend, der längst weltweit eingesetzt hat. Sie werden in Deutschland in absehbarer Zeit unter 10 Cent pro Kilowattstunde sinken, die Gestehungskosten für Solarstrom mit nachgeführten Systemen liegen schon heute bei etwa 10 Cent pro Kilowattstunde.

Die Richtung ist klar: Den Nutzern solcher Anlagen geht es vor allem darum, sich von den öffentlichen Netzen und den steigenden Energiepreisen unabhängig zu machen. Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen, die nicht von den attraktiven Großkundentarifen der Energieversorger profitieren, kann die autarke Stromversorgung letztlich eine Frage der Zukunftssicherung sein. Sie können ihre Energiekosten langfristig solide kalkulieren – und dauerhaft auf dem heutigen Niveau festschreiben. Das heißt: Ihre Wettbewerbsfähigkeit steigt mit jeder Preiserhöhung der öffentlichen Energieversorger.

Keine Zweifel bestehen daran, dass die Strompreise das derzeitige Niveau nicht halten werden. So prognostiziert das Karlsruher Institut für Technologie in einem Gutachten von Mitte Mai 2012, dass die Strompreise in Deutschland bis zum Jahr 2025 um 70 Prozent steigen werden. Ein Wert übrigens, der für Großkunden gilt. Für Privathaushalte und kleinere Unternehmen dürften die Preise noch stärker steigen.

Positive Energiebilanz

Inzwischen liegen belastbare Ertrags- und Verbrauchsmessungen des seit Herbst 2011 laufenden Testsystems von DEGER und weiterer seither installierter Systeme vor. Sie zeigen: 22 Quadratmeter nachgeführte Solarmodulfläche decken den Eigenbedarf eines Einfamilienhauses mit angeschlossenem Büro und zwei Elektrofahrzeugen zu rund 115 Prozent ab.

Konkret: In den ersten fünf Monaten des Jahres 2012 produzierte das Testsystem rund 3.000 Kilowattstunden Solarstrom. Der Stromverbrauch des angeschlossenen Haushalts mit Büro und Elektrofahrzeugen bezifferte sich im gleichen Zeitraum auf rund 2.600 kWh.

Die positive Energiebilanz zeigt sich auch am Verhältnis von Netzbezug und Netzeinspeisung: Von Januar bis Mai wurden rund 610 kWh aus dem Netz bezogen. Eingespeist wurden in der gleichen Zeit rund 930 kWh.

Installiert sind in der Testanlage 18 Module vom Typ Sanyo 240 mit einer Gesamtleistung von 4.320 Watt peak. Sie lieferten im ersten vollen Kalenderjahr nach Inbetriebnahme stolze 7.525 Kilowattstunden Solarstrom – ein sensationelles Ergebnis, das selbst die Erwartungen von DEGER deutlich übertrifft. Sicher ist ein Teil davon wohl auch dem Standort zu verdanken: Das System hat freie Sicht vom östlichen bis zum westlichen Horizont. Und es ist in dieser Region sehr selten neblig. Damit liefert die Anlage nicht nur genügend Solarstrom für den Eigenverbrauch, sie unterstützt auch die Warmwasseraufbereitung des Hauses in durchaus nennenswertem Umfang.

Bemerkenswertes Detail: Die zwei Elektroautos brachten es im Zeitraum der ersten Messungen auf eine Gesamtlaufleistung von rund 6.000 Kilometern. Dafür verbrauchten sie rund 900 kWh Strom im Einkaufswert von rund 200 Euro. Rechnet man diese verbrauchte Energie aus der Bilanz heraus, hätte während der gesamten Messdauer kein Strom bezogen werden müssen. Zugleich aber wurden mit den Autos rund 400 Liter Benzin gespart, die bei den aktuellen Preisen mit mehr als 600 Euro zu Buche geschlagen hätten.

Ein funktionsfähiges Komplettsystem zur Eigenversorgung kostet inklusive Installation weniger als 25.000 Euro. Auf dieser Basis können die Nutzer ihren Strompreis für die nächsten 25 Jahre auf das jetzige Niveau festschreiben. In diese Kalkulation sind sämtliche Kosten eingerechnet – von der Anlage selbst über die Finanzierungskosten bis hin zu Wartung und Instandhaltung inklusive Kosten für Ersatzteile über die Dauer von 25 Jahren.

 

Weckruf nach Berlin

Die deutsche Solarbranche droht den Anschluss an die Weltmärkte zu verlieren. Die Politik muss umsteuern. Dies ist die zentrale Botschaft aus dem ersten Solarbranchentag Baden-Württemberg.

Franz Untersteller mochte nicht um den heißen Brei herumreden. „Der Photovoltaikbranche im Land geht es derzeit nicht gut“, konstatierte der grüne Umweltminister des Landes Baden-Württemberg,. „Das lässt sich nicht schön reden. Umso wichtiger ist es, dass das EEG korrigiert wird.“ Zumindest der Degressionsmechanismus und die Regelung zur Eigenverbrauchsbeteiligung müssten angepasst werden, um die festgelegten Ausbauziele zu erreichen.

Mit dieser Forderung an die Adresse von Bundeswirtschaftsminister Gabriel fand sich Untersteller auf dem ersten Solarbranchentag Baden-Württemberg am 2. November in Stuttgart in guter Gesellschaft. Fast alle Branchenvertreter waren sich einig: Die nächste Novellierung des EEG muss mehr als nur nachjustieren. Die Politik müsse wieder Rahmenbedingungen schaffen, die der Nachfrage in Deutschland neuen Schwung geben, so der Tenor.

Schlüsseltechnologie für Jahrzehnte

Dabei gehe es um weit mehr als nur die Binnennachfrage, erklärte Dieter Manz, Vorstandsvorsitzender des Maschinenbauers Manz AG und 1. Vorsitzender des Solar Cluster BW, dem Veranstalter des Branchentags. „Es geht um die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in einer Schlüsseltechnologie für die nächsten Jahrzehnte. Wir haben viel Geld und Knowhow in die Entwicklung der Photovoltaik-Systeme investiert und mit dieser Pionierarbeit die Grundlagen für einen globalen Megatrend gelegt. Jetzt laufen wir Gefahr, den Anschluss zu verlieren.“

Und er unterstrich dies mit Zahlen. Die globale PV-Branche wachse seit rund 20 Jahren um durchschnittlich 50 Prozent jährlich. „Photovoltaik lohnt sich längst auch ohne Förderung.“ Weltweit würden in 2015 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 55 Gigawatt peak installiert, im Jahr 2020 wahrscheinlich mehr als 100 Gigawatt, so Manz. „Das globale Potenzial ist riesig. Der Markt entwickelt sich rasant, nur nicht bei uns. Wenn wir jetzt aussteigen, ist das Wahnsinn.“

Um aber an diesem boomenden Markt dauerhaft zu partizipieren, „brauchen wir einen vitalen Heimatmarkt. Wie wollen wir unsere Maschinen an Investoren im Ausland verkaufen, wenn wir sie selbst nicht einsetzen.“ Er habe in Deutschland die letzte Maschine im Jahr 2010 verkauft.

Noch wird laut Dieter Manz etwa jedes zweite Solarmodul weltweit auf deutschen Maschinen hergestellt. „Die Zusammenarbeit zwischen Zell- und Modulherstellern, Forschungseinrichtungen und den Maschinenbauern war ein weltweit einzigartiges Erfolgsmodell. Wenn aber die Produktion als Element der Wertschöpfungskette fehlt, dann wird sich das rächen.“ Spätestens Ende 2016 müssten weltweit neue Produktionsstätten gebaut werden. „Die Frage ist: Sind wir dabei oder bauen die Chinesen ihre Fabriken selbst.“

Er hoffe sehr, „dass wir nicht die gleichen Fehler bei den Speichern machen. „Wir reden zurzeit über Speicher nur mit Chinesen und Amerikanern. Das kann nicht gutgehen.“

Rahmenbedingungen verbessern

Die Rahmenbedingungen in Deutschland müssten dringend verbessert werden. „Und wir müssen uns trauen, industriepolitische Maßnahmen zu ergreifen.“

Die damit in den Raum gestellte Option von Schutzzöllen oder anderen Abschottungs-Mechanismen hingegen ist nach den Worten von Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, wenig hilfreich. „Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen mit China, wir müssen erreichen, dass sie sich WTO-konform verhalten, das ist klar. Aber dass wir als eine der größten Exportnationen Handelsbeschränkungen welcher Art auch immer beschließen, ist kontraproduktiv.“

Der globale Energiemarkt befinde sich am Beginn eines massiven Umbruchs. Und Deutschland stehe nach wie vor an der Spitze der Entwicklung. „Energie aus herkömmlichen Quellen wird immer teurer, die aus erneuerbaren Quellen immer günstiger. Künftig wird der Energie- und Ressourcen-effizienteste Standort am besten im Wettbewerb bestehen.“ Im Übrigen sei klimaverträgliches Wirtschaften schon heute ein Wettbewerbsvorteil. Deutschland könne doppelt profitieren, „indem wir uns zugleich auch von den Energiemärkten entkoppeln.“

Enormes Innovationspotenzial

Inzwischen, so Matthias Machnig, sei die Frage nicht mehr, wie sich die erneuerbaren Energien in die alten Systeme integrieren ließen. „Heute ist unser Thema, wie wir die fossilen Energieträger in die Erneuerbaren integrieren.“ In den kommenden Jahren werde es darum gehen, „wie wir intelligente Verteilstrukturen und intelligentes Lastverhalten hinbekommen. Dabei sind Speichertechnologien das `missing link´, das wir entwickeln und integrieren müssen.“

Die erneuerbaren Energien, allen voran Photovoltaik und Windkraft, böten einen hervorragenden Nährboden für neue Geschäftsmodelle. „Ich sehe hier ein enormes Potenzial. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass diese Technologien sich als Wachstums- und Innovationstreiber etablieren.“

Die Energiewende sei im Übrigen kein Thema für nationale Lösungen. Erforderlich sei ein EU-Binnenmarkt mit einem klaren EU-Rahmen. „Die Energiewende und die Versorgungssicherheit muss europaweit gedacht werden. Sie braucht Innovationen, Investitionen in die Netze, neue Geschäftsmodelle, eine industriepolitische Strategie und eine noch bessere Vernetzung der Akteure.“

Joachim Goldbeck, Geschäftsführer von Goldbeck Solar und Vorsitzender des Bundesverbandes Solarwirtschaft, wies darauf hin, dass in der Diskussion um die Energiewende drei Bereiche getrennt voneinander betrachtet sollten: Industrie-, Energie- und Umweltpolitik. „Industriepolitisch muss das Ziel sein, dass die deutsche Solartechnologie weltweit wettbewerbsfähig ist und bleibt. Energiepolitisch geht es um Versorgungssicherheit und Effizienz und – als neues Unterziel – die Transformation von zentralen zu dezentralen Versorgungsstrukturen. Und die umweltpolitischen Ziele sind Bewahrung unserer Umwelt und Klimaschutz. “

Energiepolitik Fehlanzeige

Was die umweltpolitischen Ziele angehe, sei man auf einem guten Weg. Industriepolitisch allerdings sei in den zurückliegenden Jahren wenig erreicht worden. „Und energiepolitisch wurden weder irgendwelche Ziele gesteckt noch erreicht.“ Die Folge: Die Photovoltaik in Deutschland sei in einem Wust von Gesetzen und Verordnungen gefangen.

„Die Kosten für Solarstrom sind seit den Anfängen um 80 Prozent gesunken. Die Gestehungskosten für Photovoltaik-Strom sind bei Vollkostenrechnung schon jetzt günstiger als Strom aus Gaskraftwerken. Dieses Modell wird heute weltweit genutzt, nur nicht in Deutschland.“ Hier sei die Politik gefragt. Sie müsse die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen strategisch unterstützen, so Goldbeck.

Vieles sei falsch gelaufen mit der Energiewende. So könne es nicht sein, dass ein Unternehmer, der 100.000 Euro in die Hand nimmt, um mittels PV-Eigenverbrauch 15.000 Euro im Jahr zu sparen, mit 2.400 Euro Abgaben belastet werde. Wer aber die gleichen Mittel in LED-Beleuchtung steckt und ähnliche Einsparpotenziale erzielt, müsse keinerlei Abgabe bezahlen.

Seine Forderungen an die Politik im Vorfeld der EEG-Novelle:

  • Keine Ausschreibungen für PV-Dachanlagen.
  • Keine Schlechterstellung von Mieterstrommodellen gegenüber Eigenverbrauch.
  • Das Zoll-Thema noch einmal prüfen.
  • Offenes Bekenntnis der Politik, dass Photovoltaik nach wie vor gewünscht ist.
  • Verlängerung der Speicherförderung.
  • Strom, der gespeichert wird, darf nicht mit Umlagen belastet werden.
  • Kleinverbraucher müssen am Strommarkt teilnehmen können.
  • Rohstoffe sollten dort, wo sie aus der Erde geholt werden, mit Umlagen belastet werden.

Dass PV heutzutage nicht mehr der Preistreiber sei, „das muss öffentlich gesagt werden – auch in Berlin“, resümierte Umweltminister Franz Untersteller. Und er teilte die Einschätzung, dass es um weitreichende Folgen für den Industriestandort Deutschland geht. „Die Frage ist doch, wie es uns gelingt, am anhaltenden globalen Boom der Photovoltaik wieder teilzuhaben, oder ob wir das anderen überlassen, zum Beispiel den Chinesen.“

 

Die Thesen

Der Solar Cluster Baden-Württemberg hat beim Solarbranchentag ein „Thesenpapier zur Solarenergie Baden-Württemberg 2020“ vorgelegt. Nachfolgend Auszüge.

I. Photovoltaik ist ein zentrales Element einer künftigen globalen Energieversorgung und die Voraussetzung für einen wirksamen Klimaschutz.

PV ist ein globaler Megatrend: Bis zum Jahr 2020 wird ein Weltmarktvolumen von mindestens 100 GW erwartet. Dies entspricht einem Umsatz von rund 110 Milliarden Euro allein für die PV-Module sowie zusätzlich in etwa dieselbe Größenordnung für Wechselrichter, Unterkonstruktion, Kabel und Installation.

Die Märkte wachsen vor allem außerhalb Europas: Bis zum Jahr 2012 war Europa der größte Markt weltweit mit einem Marktanteil von 59 Prozent, im Jahr 2013 ging der europäische Weltmarktanteil auf 29 Prozent zurück. Heute sind China, Japan und die USA die dynamischsten PV-Märkte weltweit. In vielen dieser wachsenden Märkte ist PV mittlerweile Kostenführer.

Photovoltaik in Deutschland lohnt sich: Die Stromkosten aus Photovoltaik liegen bei Großanlagen auch in Deutschland bereits auf oder unter dem Niveau neuer fossiler Großkraftwerke. Lokal selbst erzeugter Strom aus Photovoltaik ist in fast allen privaten wie gewerblichen Anwendungen deutlich günstiger als der Netzbezug. Dadurch entwickelt sich der Eigenverbrauch zu einem wesentlichen Geschäftsmodell.

Die Energieversorgung ist strategisch relevant und sollte Abhängigkeiten vermeiden helfen: Derzeit importiert Deutschland fossile Brennstoffe im Wert von fast 100 Milliarden Euro pro Jahr. Erneuerbare Energien bieten die Chance, diese historischen Abhängigkeiten aufzulösen.


II. Große Teile der baden-württembergischen Solarbranche sind nach wie vor gut aufgestellt, um an der dynamischen Entwicklung der PV teilzuhaben.

Marktchancen I: Deutsche Hersteller können international wettbewerbsfähig hochwertige PV-Komponenten (Silizium, Wafer, Solarzellen, Module, Wechselrichter, Aufständerungen etc.) produzieren. Die Politik sollte die Rahmenbedingungen so setzen, dass sich diese Produktion halten beziehungsweise weiter entwickeln kann.

Marktchancen II: Heute werden rund 50 Prozent der weltweit produzierten PV-Module auf deutschen und etwa die Hälfte davon auf baden-württembergischen Maschinen hergestellt. Diese Marktposition gilt es zu halten und auszubauen.

Marktchancen III: Die Integration dezentraler und fluktuierender erneuerbarer Energien gewinnt weltweit an Bedeutung. Deutsche Unternehmen haben langjährige Erfahrung in den Integrationsfragen; dieses Know-how sollte gestärkt und die internationale Verbreitung unterstützt werden.


III. Um Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Baden-Württemberg und Deutschland zu halten und zu schaffen, muss der politische Rahmen weiterentwickelt werden.

Die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland verhindern den weiteren Ausbau der Photovoltaik und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.

Hürden und Hindernisse

  • Das Image der Photovoltaik hat massiv gelitten, sie wird in der Öffentlichkeit zu Unrecht als Kostentreiber angesehen.
  • Ständig sich ändernde politische Rahmenbedingungen verunsichern Investoren und Bürger gleichermaßen und verhindern Investitionen.
  • Belastung Eigenverbrauch mit der EEG-Umlage
  • Die Projektierung von PV-Anlagen wird durch zahlreiche Gesetze und Vorschriften immer komplexer. Dies hält insbesondere ehrenamtlich getragene Marktteilnehmer und kleine Unternehmen zurück.
  • Unterscheidung zwischen Direktlieferung (volle EEG-Umlage) und Eigenverbrauch (30 – 40 Prozent EEG-Umlage)
  • Das öffentliche Haushaltsrecht benachteiligt in vielen Fällen eine Einsparung gegenüber einer einmaligen Investition.

Das Thesenpapier ist online abrufbar unter www.solarcluster-bw.de

 

Unerschöpfliche Energiequelle

Die Umwandlung unseres Energiesystems hin zu einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Energieversorgung – ohne CO2-Ausstoß und ohne fossile Energieträger – hat längst begonnen. Eine zentrale Rolle dabei spielen Wärmepumpen. Davon sind Experten beim Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE überzeugt. Eine Einschätzung, die auch Clemens Dereschkewitz, Geschäftsführer des Wärmepumpen-Herstellers alpha-innotec, teilt (siehe Interview „Auf den Sanierungsmarkt vorbereitet“).

Bislang dominieren Windräder und Photovoltaik-Anlagen, Pelletheizungen und Biogas das Thema regenerative Energiequellen. Daneben gibt es Umweltwärme, die in praktisch unerschöpflichem Maße zur Verfügung steht, erklärt Professor Hans-Martin Henning vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. „Diese Energie werden wir zunehmend nutzen müssen.“

Wenn man unser Energiesystem und mögliche Lösungen im Sinne der Umwelt betrachte, werde rasch klar: „Gute Gebäudedämmung und Strom aus regenerativen Quellen allein reicht nicht.“ Solarthermie könne lediglich als Ergänzung zu anderen Elementen fungieren, und auch Biomasse sei nicht geeignet, die Transformation des Systems in großem Stil voranzubringen. „Das ist ein zu knappes Gut.“

Was heute kaum genutzt wird, ist die Wärme aus unserer Umwelt. Und genau das ist die Domäne der Wärmepumpe. Eine elektrische Wärmepumpe macht aus jeder eingesetzten Kilowattstunde Strom bereits heute das Drei- bis Fünffache an Wärmeenergie. Kommt dieser Strom aus dem öffentlichen Netz, was zumindest heute noch die Regel ist, dann spielt der Energiemix eine wesentliche Rolle. „Je höher der Anteil von `grünem´ Strom im Netz, desto besser die CO2-Bilanz der Wärmepumpe.“

Primärenergiefaktor für Strom sinkt erneut

Dies spiegelt sich in den gesetzlichen Vorgaben wider, wenn es um die energetische Bilanz eines Gebäudes und dessen Heizanlage, um Fördergelder und günstige KfW-Kredite geht. Eine wichtige Größe hierbei ist der sogenannte Primärenergiefaktor PEF.

Der PEF wird vom Gesetzgeber für jeden Energieträger (Kohle, Öl, Gas, Holz, Strom etc.) festgelegt. Er ist das Maß für den Energiebedarf in der gesamten Umwandlungskette. Im Falle von Strom gehört dazu beispielsweise der Abbau von Kohle, deren Transport zum Kraftwerk und die Verstromung bis hin zur Verteilung der elektrischen Energie an den Endverbraucher.

Je mehr „grüner“ Strom produziert und ins Netz eingespeist wird, desto niedriger der Primärenergiefaktor für Strom insgesamt. Und desto günstiger werden elektrisch betriebene Heizsysteme unter dem Aspekt ihrer CO2-Emission bewertet.

Aufgrund des stetig steigenden Anteils erneuerbarer Energien in Deutschland wurde in der Energieeinsparverordnung (EnEV) der PEF für Strom in den vergangenen Jahren bereits dreimal nach unten korrigiert – von ursprünglich 3,0 auf mittlerweile 1,8. Dieser neue Wert gilt seit 1. Januar 2016. Wichtig in diesem Zusammenhang: Die der Umgebung entnommene Wärmeenergie hat den PEF 0,0.

Gute Karten also für die Wärmepumpe. Langfristig werde sie wahrscheinlich das wichtigste Versorgungssystem für Gebäude, meint der Fraunhofer-Experte. „Dazu werden wir allerdings verstärkt Wärmespeicher brauchen. Zum einen, um die Systeme an das Bedarfsprofil des einzelnen Verbrauchers anzupassen, zum anderen aber auch aus Systemsicht.“

Marktdesign muss Schwankungen ausgleichen

Eine wesentliche Herausforderung bei der Gestaltung unseres künftigen Energiesystems nämlich sei es, die hohe Volatilität der Erneuerbaren zu managen. Denn die über Wind und Photovoltaik eingespeisten Strommengen schwanken bekanntlich stark. „Das Marktdesign muss diese Schwankungen so weit wie möglich ausgleichen und Spitzenlasten und Spitzeneinspeisungen abfedern.“

Ein Steuerungsmechanismus sind variable Stromtarife, die sich an der jeweils aktuellen Netzauslastung orientieren. Stichwort „Smart Grid“, das intelligente Netz. Wer seine Wärmepumpe mit einem Pufferspeicher kombiniert, kann davon in Zukunft profitieren. „Viele Wärmepumpen sind für den Smart-Grid-Betrieb bereits vorbereitet. Diese Geräte werden künftig dann Wärme erzeugen, wenn der Strom günstig ist und diese Wärme zwischenspeichern.“

Für den Verbraucher, der sich mit dem Gedanken trägt, eine Wärmepumpe zu installieren, steht in aller Regel die Wirtschaftlichkeit ganz oben auf der Prioritätenliste. Und da sieht Hans-Martin Henning die Politik in der Pflicht. „Strom ist heute wesentlich stärker durch Abgaben belastet als fossile Brennstoffe. Das ist nicht im Sinne der Energiewende.“

Auch die CO2-Abgabe auf Basis des heutigen Zertifikate-Handels sieht der Experte kritisch. Sie betreffe nur die Kraftwerksbetreiber, nicht jedoch die Brennstoffhändler – auch das ein Ungleichgewicht zu Lasten der erneuerbaren Energien. „Die Politik sollte den Marktrahmen so gestalten, dass Strom günstiger wird.“ Denn Strom sei durch den Anteil der Erneuerbaren heute schon oft umweltfreundlicher als jeder fossile Brennstoff.

Wärmepumpe wird sich durchsetzen

Noch dominiert die Wärmepumpe den Heizungsmarkt in Deutschland nicht – der Anteil installierter Einheiten in Neubauten liegt derzeit im Bundesdurchschnitt bei 37 Prozent, in Sanierungsobjekten deutlich darunter. Doch der Trend zeigt nach oben. Dass er sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird, davon sind die Wissenschaftler beim Fraunhofer ISE überzeugt.

Schon jetzt ist der Wärmepumpenmarkt in Skandinavien, insbesondere in Schweden und der Schweiz, bereits sehr ausgeprägt, wie Dr.-Ing. Marek Miara erklärt. Er leitet die Gruppe Wärmepumpen am Fraunhofer ISE. „In beiden Ländern liegt der Anteil von Wärmepumpeninstallationen in neuen Wohngebäuden bei über 80 Prozent.“ Auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Österreich und Polen habe inzwischen eine sehr dynamische Entwicklung eingesetzt.

Zwei Trends sind laut Miara mit dem Einsatz der Wärmepumpe in Bestandsgebäuden verbunden. Erstens: Um die höheren Vorlauftemperaturen zu realisieren, die im Bestand typischerweise erforderlich sind, gibt es immer mehr Hochtemperatur-Wärmepumpen am Markt. „Solche Anlagen sind in der Lage, Temperaturen von 65°C und höher bereitzustellen.“

Zweiter Trend sind Systemkombinationen, bei denen meist elektrische Wärmepumpen mit fossil betriebenen Kesseln wie etwa Pellet-, Öl-, Gas- oder Holzheizungen kombiniert werden. „Besonders beim Austausch alter Heizkessel in Bestandsgebäuden kann diese Technologie in den nächsten Jahren an Relevanz gewinnen“, so Marek Miara.

Auch er ist überzeugt, dass Wärmepumpen eine wichtige Rolle im intelligenten Stromnetz der Zukunft spielen werden. „Sie wandeln elektrische Energie effizient in thermische Energie um und puffern diese für eine bestimmte Zeit – entweder in Warmwasserspeichern oder auch in der Gebäudemasse.“

Zusätzlich wird die Kombination von Wärmepumpen mit Batteriesystemen an Bedeutung gewinnen. Letztere speichern Strom, der ja in Deutschland zunehmend aus erneuerbaren Quellen wie Offshore Windparks oder Photovoltaik-Anlagen kommt, um ihn bei Bedarf für den Betrieb der Wärmepumpe zur Verfügung zu stellen.

Auf diese Weise lassen sich Bedarf und Verbrauch zeitlich entkoppeln. „Damit können Wärmepumpenanlagen mit intelligenter Steuerung angesichts der fluktuierenden Stromerzeugung netzstabilisierend wirken.“

 

Wärmepumpe schlägt alle fossilen Heizsysteme

Herr Miara, welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht die Wärmepumpe für die Transformation unseres Energiesystems?

Marek Miara: „Einen großen. Alle Studien sagen, dass die Wärmepumpe künftig einen riesigen Anteil haben wird. Die Elektrifizierung von Heizsystemen nimmt zu. Strom ist die höchste Form von Energie, er ist sehr vielseitig einsetzbar, und der Anteil an Erneuerbaren Energien steigt, in Deutschland liegt er schon jetzt bei über 25 Prozent. Für das Energiesystem liegt der Hauptvorteil darin, dass sich mit der Wärmepumpe ein guter Ausgleich zwischen Produktion und Bedarf realisieren lässt. Das ist angesichts der Zunahme der Erneuerbaren, die ja nicht so einfach steuerbar sind wie ein herkömmliches Kraftwerk, von großer Bedeutung.“

Welches sind die entscheidenden Faktoren, die aus Sicht des Energiesystems den Trend in Richtung Wärmepumpe speisen?

Marek Miara: „Erstens schlägt eine korrekt geplante und richtig installierte Wärmepumpe ökologisch alle fossilen Energieträger, wenn es um die Produktion von Wärme geht. Zweitens: Die politischen oder, wenn Sie so wollen, gesellschaftlichen Ziele der CO2-Reduktion sind nur mit der Wärmepumpe zu erreichen. Mit dieser Technologie kann man sowohl den CO2-Ausstoß verringern als auch den Bedarf an Primärenergie.“

Und welche Vorteile hat die Wärmepumpe für den einzelnen Nutzer gegenüber anderen Heizsystemen?

Marek Miara: „Für den einzelnen Nutzer gibt es eine ganze Reihe von Gründen, die für die Wärmepumpe sprechen. Sie arbeitet energieeffizient und bietet klare ökologische Vorteile. Sie hilft Primärenergie und in vielen Fällen Betriebskosten zu sparen. Wer sie mit einer Photovoltaik-Anlage koppelt, kann damit seinen Eigenverbrauch steigern. Nicht zu vergessen: Man braucht keinen Schornstein, keinen Tank oder sonstigen Platz für den Energieträger.“

Wie schätzen Sie das Marktpotenzial der Wärmepumpe für die nächsten Jahre ein – in Neubauten, in Bestandsgebäuden, im Geschosswohnungsbau?

Marek Miara: „Im Neubau ist das die Lösung der Zukunft. In bestimmten Regionen in Deutschland liegt der Anteil der Wärmepumpe in Neubauten schon über 50 Prozent, manche sprechen sogar schon von 70 bis 80 Prozent. Alle Experten sind sich einig, dass die Weichen richtig gestellt sind und alles für die Wärmepumpe spricht – die politischen Ziele, das EU-Energielabel, die EnEV. Den Vorgaben der EnEV gerecht zu werden, ist ohne Wärmepumpe sehr schwierig. Dass der PEF für Strom seit Januar 2016 auf 1,8 gesunken ist, bringt sicher zusätzliche Impulse.

Im Bestand wird die Entwicklung noch etwas länger dauern. Das liegt zum einen an Platzproblemen in Altbauten, vor allem aber an den höheren Vorlauftemperaturen, die hier benötigt werden. Dieses Thema wird sich in den nächsten Jahren lösen, weil es immer mehr eigens für Bestandsgebäude entwickelte Systeme gibt.

Beim Geschosswohnungsbau laufen derzeit einige Projekte, an denen auch Fraunhofer ISE beteiligt ist. Hier sehen wir ebenfalls großes Potenzial, aber es sind noch einige Probleme zu lösen wie die Vorlauftemperatur oder die Warmwasserbereitung für größere Wohneinheiten.“

 

Starkes Wachstum prognostiziert

Wie lässt sich die Transformation des deutschen Energiesystems kostenoptimal umsetzen? Dieser Frage widmen sich die Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE unter anderem mit umfangreichen Modellierungen. Sie analysieren dabei unter anderem die Technologien, die für die Energiewende benötigt werden, und deren Verbreitung in den kommenden Jahrzehnten.

Für die Wärmeversorgung von Gebäuden kommt die wahrscheinlich größte Bedeutung demnach in den nächsten Jahrzehnten der elektrischen Wärmepumpe zu. Derzeit sind in Deutschland laut alpha-innotec rund 700.000 Geräte installiert, bis in zehn Jahren, so die Ergebnisse einer aktuellen Fraunhofer-Modellierung, könnte die Zahl der installierten Einheiten einschließlich thermisch angetriebener Systeme weit über zehn Millionen liegen, bis 2040 bei annähernd 20 Millionen.

 

Quellen-Nachweis:

Interview mit Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Deputy Director, Director, Division Thermal Systems and Buildings, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Interview mit Dr.-Ing. Marek Miara, Head of Group Heat Pumps, Division Thermal Systems and Buildings, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Wärmepumpen
Heizen – Kühlen – Umweltenergie nutzen
BINE-Fachbuch
Marek Miara, u. a.
Hrsg.: FIZ Karlsruhe, BINE Informationsdienst, Bonn
2013, 166 S., 98 farb. Abb., Tab., Kartoniert
Fraunhofer IRB Verlag
ISBN 978-3-8167-9046-4

Stille Revolution im Schwarzwald

Die produzierende Industrie wird gern als Beispiel dafür genommen, die Energiewende lasse sich nicht rasch und keineswegs überall umsetzen. Das international erfolgreiche Maschinenbauunternehmen Schmalz hat für sich den Beweis erbracht: Ökonomie und Ökologie schließen sich nicht aus. Allerdings sind Konsequenz und Innovationskraft gefragt.

Das Holzstück, das Wolfgang Schmalz hochhält, ist nicht viel größer als eine Zigarettenschachtel, genau: 3,2 x 9 x 12 Zentimeter. Douglasie. „Hier drin steckt eine Kilowattstunde Energie. Damit können Sie sich rund 1.800mal elektrisch rasieren oder ein Auto mit einer Tonne Gewicht um 360 Meter in die Höhe heben.“

Der Mann hat griffige Bilder parat, wenn er seine Welt erklärt. Und wenn er das tut, unaufgeregt und mit einer Klarheit, die selten geworden ist in unserer Zeit, dann ist mit Händen zu greifen, dass da einer meint, was er sagt. Und dass er zu tun gewohnt ist, was seiner innersten Überzeugung entspricht: verantwortlich handeln, nachhaltig wirtschaften, langfristig denken.

Gemeinsam mit seinem Bruder Kurt ist Wolfgang Schmalz Geschäftsführender Gesellschafter der J. Schmalz GmbH in Glatten, acht Kilometer südöstlich von Freudenstadt. Ihre Welt – das ist der Schwarzwald, das ist Glatten an der Glatt, ein Flüsschen, das durch den Ort und durchs Betriebsgelände fließt. Das sind die Menschen, die hier leben – wie sie. Und das ist ein Unternehmen, das seit seiner Gründung im Jahr 1910 durch den Großvater Johannes Schmalz von der Familie geführt wird, inzwischen in der dritten Generation.

Erneuerung hat Tradition

Die J. Schmalz GmbH zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Vakuum-Technologie. Das Unternehmen beschäftigt rund 800 Mitarbeiter weltweit, unterhält Tochtergesellschaften in 16 Ländern und vertreibt seine Produkte in mehr als 50 Ländern. Seinen wirtschaftlichen Erfolg verknüpft Schmalz mit sozialer Verantwortung und einer bemerkenswert konsequenten Nachhaltigkeits-Strategie. Kurz: Hier, mitten im Schwarzwald, gehen Tradition und Fortschritt, Ökologie und Ökonomie Hand in Hand.

Das alles hat nichts mit jener Art Nachhaltigkeits-Management zu tun, die sich ein ökologisches Mäntelchen umhängt, weil das dem Zeitgeist entspringt und Wettbewerbsvorteile durch Imagegewinn verspricht. Und es ist erst recht nicht getrieben von dem „grünen Gewissen“ jener Zeitgenossen, die industrielle Produktion und wirtschaftliches Denken allzu gerne als natürlichen „Feind“ der Nachhaltigkeit verteufeln.

Vielmehr folgen Kurt und Wolfgang Schmalz einer Spur, die bereits ihr Großvater Johannes vor mehr als hundert Jahren legte: Als Standort für seine neu zu gründende Rasierklingenfabrik suchte er sich ein Grundstück direkt an der Glatt aus. Dort stand eine Ölmühle, deren Wasserkraft er zunächst über Transmissionsriemen für die Produktion nutzte – erneuerbare Energiequellen als Wirtschaftlichkeitsfaktor.

Das Geschäft florierte, und 1922 ersetzte der umtriebige Mechanikermeister und Fabrikant das alte Mühlrad durch zwei Francisturbinen, mit denen er Strom erzeugte. Schon damals unterstützte der sozial denkende Unternehmer übrigens auch caritative Einrichtungen mit Geldspenden.

Von Rasierklingen zu Flugzeugtreppen

1945 übernahm der Sohn des Firmengründers, Artur Schmalz, das Ruder. Die Zeiten waren schwierig: Nicht nur, dass sich die Zahl der Wettbewerber im deutschen Markt innerhalb weniger Jahre verzehnfachte, der Elektrorasierer begann die Rasierklinge aus dem Markt zu drängen. Also stellte Artur Schmalz mit großem Einfallsreichtum und dem Gespür für neue Märkte sein Produktportfolio radikal um – auf Transportgeräte, zum Beispiel für Post, Bahn und Flughäfen. Von Flughafengepäckwagen und fahrbaren Cockpittreppen über Lacktrockenwagen für Möbelhersteller bis hin zu Servierwagen für die Gastronomie reichte die Schmalzsche Produktpalette. Und der Erfolg gab Artur Schmalz recht.

Inzwischen wuchsen die Söhne Kurt und Wolfgang heran. Ihr Studium an der Universität Stuttgart schlossen sie als Diplom-Ingenieure im Maschinenbau ab. Kurt promovierte zusätzlich an der Technischen Universität Wien in Betriebswirtschaft. 1984 übernahm er die Unternehmensführung, die er seit 1990 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Wolfgang innehat.

Schon früh erkannte Kurt Schmalz, dass die Zeit guter Geschäfte mit Transportgeräten vorbei war. Das Unternehmen brauchte erneut ein neues Produktprogramm. Die Anfrage eines größeren Schreinerbetriebs aus Bayern gab den entscheidenden Impuls, den Kurt Schmalz – ganz Schwarzwälder Tüftler – schnell in ein geradezu geniales Produkt umsetzte. „Ich wurde nach einer Möglichkeit gefragt, wie man die Füllungen einer Türe beim Schleifen und Bearbeiten festhalten könne. So kam mir die Idee mit dem Vakuum.“ Er baute einen Arbeitstisch mit Vakuum-Saugern, der Kunde war „überaus zufrieden.“ Die Idee für das nächste Geschäftsfeld war geboren – und was für eine Idee: Das Unternehmen wuchs rasant und expandiert seit 1998 in ausländische Märkte.

Lust am Vorausdenken

Heute erzielt die J. Schmalz GmbH die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland. Ein Erfolg, der nicht zuletzt der in Glatten herrschenden Unternehmenskultur geschuldet ist: Kurt und Wolfgang Schmalz schaffen es offenbar, ihre Mitarbeiter zu begeistern und auf die spannende Reise zu immer neuen Ideen mitzunehmen – durch „aktives Wissensmanagement und offene Kommunikation“, wie es in einer Firmenbroschüre heißt.

Die Firmenlenker investieren stolze 8,5 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung, das Unternehmen glänzt in Deutschland mit einer Ausbildungsquote von rund 14 Prozent. Und es pflegt ein internes Vorschlagswesen, das seinesgleichen sucht: 5.400 Verbesserungsvorschläge wurden im Jahr 2012 eingereicht – das sind mehr als zehn Vorschläge pro Mitarbeiter am Stammsitz. Zum Vergleich: Nach den Zahlen des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft brachten es die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer im gleichen Zeitraum auf durchschnittlich 0,82 Vorschläge pro Mitarbeiter.

Wer nun denkt, der größte Teil der Vorschläge bei Schmalz wandere in die sprichwörtliche Tonne, der irrt. Die Umsetzungsquote in Glatten liegt bei 70 Prozent. Die Lust der Gebrüder Schmalz an Erneuerung und der ständigen Verbesserung von Produkten und Prozessen scheint anzustecken.

Und sie ist der Nährboden für außergewöhnliche Leistungen. Aktuell verfügt die J. Schmalz GmbH über rund 400 angemeldete und erteilte Schutzrechte. Jedes Jahr melden die Schwarzwälder weit über ein Dutzend neue Patente an. Mit annähernd vier Patenten pro hundert Mitarbeiter und Jahr liegen sie dreimal so hoch wie der Durchschnitt der Top-10-Patentanmelder.

Dazu passt, dass Schmalz im April 2014 öffentlich einen Innovationspreis ausgeschrieben hat, Untertitel: „Der Wettbewerb für Vorausdenker“. Die innovativste Idee wird mit 4.000 Euro prämiert. Zusätzlich wird die beste Idee eines Studenten mit einem vierwöchigen Praktikum inklusive 3.000 Euro Gehalt belohnt.

CO2-freie Produktion

Parallel zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung ihres Unternehmens etablierten die beiden Brüder das Schmalz ecoSystem. Dieses System vereint die drei Eckpfeiler ihres unternehmerischen Selbstverständnisses: Ökonomie, soziales Engagement, Ökologie und Ressourcenschonung.

Obwohl im energieintensiven Maschinenbau zuhause, erzeugt das Unternehmen seit vielen Jahren mehr Strom und Wärme aus erneuerbaren Quellen als es verbraucht und produziert gänzlich CO2-frei. Es baut seine Anlagen zur Erzeugung „grüner“ Energie kontinuierlich aus, um den Eigenverbrauch möglichst optimal damit abzudecken. Zugleich werden Anlagen, Prozesse und Materialeinsatz ständig in Sachen Energieeffizienz optimiert. Die Produkte, die Schmalz entwickelt und produziert, zeichnen sich durch einen wesentlich geringeren CO2-Fußabdruck aus als vergleichbare Produkte.

Biomasse aus heimischen Wäldern

Zunächst zu den Energiequellen. Wolfgang Schmalz lächelt und verweist auf das eingangs erwähnte Stück Holz: „Wir sind umzingelt von Biomasse und haben gute Alternativen zum Öl.“ Also wurde ließ Artur Schmalz bereits im Jahr 1987 die erste Holzhackschnitzel-Heizanlage installieren – lange bevor es solche Anlagen schlüsselfertig auf dem Markt gab. Sie wurde 2007 durch eine wesentlich leistungsfähigere Anlage mit 500 kW Nennleistung ersetzt. Die kostete zwar ungefähr das Zehnfache wie eine Ölheizung, aber – so Wolfgang Schmalz – „Öl hätte unsere Ökobilanz und auf lange Sicht auch die wirtschaftliche Bilanz belastet. Im Übrigen sorgen wir durch die Nutzung von Holz aus der Umgebung dafür, dass die Kaufkraft im Land bleibt.“

Über die ersten sechs Jahre sei die Kostenbelastung durch die Holzhackschnitzel-Heizung höher gewesen als mit Öl, danach aber schlug das Pendel zugunsten der erneuerbaren Energie um.

Heute produziert Schmalz mit Biomasse aus den heimischen Wäldern im langjährigen Mittel rund 1,25 Millionen Kilowattstunden thermische Energie pro Jahr, hinzu kommen knapp 11.000 Kilowattstunden Solarthermie. Damit deckt Schmalz den Energiebedarf für Raumwärme und Warmwasserbereitung nahezu komplett durch die Nutzung von Solarthermie und Biomasse ab.

Ein ausgeklügeltes Wärmerückgewinnungssystem liefert mehr als 800.000 Kilowattstunden zusätzliche Nutzenergie aus Raum- und Prozesswärme. Eine kleine Öl-Zusatzheizung dient als Backup.

Um Wärme einzusparen beziehungsweise möglichst effizient zu nutzen, hat Schmalz unter anderem folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Der IT-Serverraum in Glatten wird durch Sprinklerwasser gekühlt. Das erwärmte Wasser wird im Sprinklerbecken gespeichert, die Energie wandert per Wärmepumpe wieder in den Kreislauf.
  • Die Abwärme der Druckluftkompressoren wird ebenso wie die der Produktionshallen und Büroräume über Wärmetauscher zurückgeführt.
  • Durch eine freie Außenluftkühlung konnte die Installation von Klimaanlagen weitestgehend vermieden werden. Stattdessen werden die Gebäude vor allem nachts durch automatische Lamellen- und Dachfenster und Zuluftventilatoren gekühlt.
  • Nordlicht-Sheddächer auf Produktions- und Bürogebäuden sorgen für optimale Lichtverhältnisse bei geringer Wärmeeinstrahlung im Sommer und verringern zugleich den Bedarf an Kunstlicht. Die Südseite der Sheddächer dient als Unterkonstruktion für eine 260 kWp-Photovoltaikanlage.
  • Die Holzhackschnitzel-Heizung ist mit einem 40.000 Liter fassenden Pufferspeicher kombiniert. Hier lässt sich die erzeugte Wärme lang speichern, was die Schaltzyklen der Heizanlage reduziert und ihre Effizienz steigert.

Die Summe aller Maßnahmen zeigt die gewünschte Wirkung: Die Gesamteffizienz des knapp 14.000 Quadratmeter großen Produktions- und Logistikgebäudes liegt um 57 Prozent unter dem durch die Energieeinsparverordnung vorgegebenen Wert.

Wasser, Wind und Sonne liefern den Strom

Ähnlich das Bild bei der Strombewirtschaftung. Auch hier schöpft das Unternehmen aus dem Vollen, das die Natur in der Umgebung zu bieten hat: Die Glatt, die 1910 den Ausschlag für die Firmengründung an dieser Stelle gab, liefert noch immer Strom: durchschnittlich rund 122.000 Kilowattstunden im Jahr. Zwei Windräder in der Nähe – der Schwarzwald bietet dafür denkbar günstige Bedingungen – steuern im Jahresmittel 2,45 Millionen Kilowattstunden bei. Und die Photovoltaikanlagen, insgesamt sind 533 kW installiert, im Durchschnitt pro Jahr mehr als 500.000 Kilowattstunden.

Da das Stromangebot aus den eigenen Energiequellen nicht immer mit dem aktuellen Strombedarf übereinstimmt, speist das Unternehmen einerseits Strom ins öffentliche Netz ein und bezieht andererseits extern erzeugten Fremdstrom. Aber auch der kommt aus CO2-freien Quellen – von den bundesweit bekannten „Stromrebellen“ aus Schönau im Südschwarzwald.

Doch auch in Sachen Stromwirtschaft gilt, was Wolfgang Schmalz so ausdrückt: „Die beste Kilowattstunde ist die, die man gar nicht erst verbraucht.“ Konkret:

  • Die Bremsenergie der Regalbediengeräte im automatischen Kleinteilelager wird rückgespeist und wieder genutzt.
  • Nicht benötigte Schaltkreise werden nachts und am Wochenende abgeschaltet.
  • Die Beleuchtung in Büro- und Produktionsgebäuden wird tageslichtabhängig geregelt.
  • Für Kunstlicht kommen durchgängig energiesparende Leuchtmittel zum Einsatz.
  • Die firmenweite Drucklufterzeugung ist frequenzgeregelt und wird von einer Regelungssoftware überwacht. Dadurch wurde das Druckluftniveau um 1 bar gesenkt.

Seit 2012 ist ein Lastmanagement im Einsatz, das die Energieflüsse steuert und Stromlastspitzen ausgleicht. Kommt es zu einer Lastspitze, werden Verbraucher, die nicht dauerhaft eingeschaltet sein müssen, für mindestens fünf Minuten abgeschaltet oder in ihrer Leistung reduziert. Das spart nicht nur Strom, sondern auch zusätzliche Kosten durch die Vermeidung von Lastspitzen.

Konsequenz in der Produktion

„Als produzierendes Unternehmen“, heißt es im Schmalzschen Nachhaltigkeitsbericht, „verfolgt Schmalz das klare Ziel, die Umweltauswirkungen seiner Geschäftstätigkeit so gering wie möglich zu halten.“

Und das sieht in der Produktion so aus: Die ergänzend im Unternehmen eingesetzten Treibstoffe und Heizöl schlagen mit einer CO2-Emission von 593 Tonnen im Jahr 2012 zu Buche. Gleichzeitig hat Schmalz mit den nicht selbst verbrauchten, also eingespeisten Anteilen aus Wind- und Photovoltaik-Energie 1.870 Tonnen CO2 vermieden. Die Umweltentlastung unterm Strich: 1.277 Tonnen.

Konsequenz heißt für die Gebrüder Schmalz und ihre Mitstreiter im Unternehmen aber auch, dass die Produkte selbst umweltschonend sind. Das beginnt bei der Herstellung und der Zulieferung. So auditiert der Hersteller regelmäßig seine Lieferanten, schult und berät sie in Fragen der Ressourceneffizienz. Gleiches gilt für die Logistik. Hier setzt Schmalz zum einen auf Zulieferer aus der Region und zum anderen auf CO2-optimierte Versandwege wie etwa GoGreen von DHL.

So gelingt es, umweltschonenden Einfluss zu nehmen, noch ehe die Rohprodukte im Haus sind. Womit das Unternehmen in ein Terrain einsteigt, das wesentlich komplexer ist als die eigene Energie- und CO2-Bilanz (siehe auch „Der nächste Schritt“). Das Ziel: Alle Emissionen entlang der Wertschöpfungskette bis hin zur Entsorgung der Produkte identifizieren, quantifizieren und die Entwicklung hin zur CO2-Neutralität vorantreiben.

Energieeffizienz der Produkte

Dass seine Produkte bei ihrer Nutzung möglichst wenig Energie verbrauchen, hat Schmalz ohnehin schon immer im Blick. Für die sichere Fixierung eines Werkstücks mit Vakuum etwa ist ein Mindestvakuum-Wert erforderlich. Also hat Schmalz Vakuum-Erzeuger mit Luftsparautomatik entwickelt. Sie schalten ihre Saugfunktion ab, sobald der definierte Wert erreicht ist. Dadurch verringert sich der Energieverbrauch im Einsatz um bis zu 80 Prozent oder 730 Kilogramm CO2 pro Greifer und Betriebsjahr.

Ein weiteres Beispiel ist ein Vakuum-Hebegerät, das sogar ohne externe Energiezufuhr arbeitet. Die Hubbewegung des Kettenzugs, an dem das Gerät aufgehängt ist, sorgt zugleich für Auf- und Abbau des Vakuums. Oder die Funkfernsteuerung, die ihre Energie über den piezoelektrischen Effekt (Drücken des Ein-/Ausschaltknopfs) oder über eine integrierte Solarzelle bezieht. Dieser Effekt in Kombination mit der Möglichkeit, das Gerät in Arbeitspausen direkt am Bedienelement abzuschalten, spart bis zu 40 Prozent der sonst erforderlichen Energie.

In jüngster Zeit hat Schmalz begonnen, seine Produkte möglichst einfach recyclingfähig zu machen. Dies vor allem durch die Trennbarkeit der verschiedenen Materialien. So lässt sich zum Beispiel bei bestimmten Sauggreifern das Verschleißteil aus Elastomer problemlos vom Anschlussteil aus Aluminium trennen. Damit ist nicht nur eine fachgerechte Entsorgung möglich, sondern auch der ressourcensparende Betrieb des Geräts, weil das Anschlussteil weiter verwendet werden kann.

Antriebskraft: Vernunft

Warum sie diesen Weg eingeschlagen haben und mit schwäbischer Beharrlichkeit weiter gehen? Darauf haben Kurt und Wolfgang Schmalz eine einfache Antwort: „Wir sind hier am Standort verwurzelt. Und als Unternehmer haben wir eine große Verantwortung für das Gemeinwohl. Wir wollen das Unternehmen und unsere Umwelt gesund weiter geben.“

Dahinter stecke ein klarer Wirtschaftlichkeitsgedanke, erklärt Wolfgang Schmalz: „Wir setzen nichts um, was sich nicht rechnet. Aber der Energieverbrauch und die gesamten Lebenszykluskosten nehmen immer größeren Raum ein.“ Da sei es schlicht vernünftig, nach Lösungen zu suchen, diese Entwicklung in sinnvolle Bahnen zu lenken. „Schmalz steht im internationalen Wettbewerb. 50 Prozent unserer Wertschöpfung betreiben wir im Ausland. Natürlich führen wir nur Maßnahmen durch, die unsere Wettbewerbssituation verbessern. Dazu gehört logischerweise auch, dass der Kunde einen wirtschaftlichen Vorteil hat. Und den können wir mit unseren energieeffizienten Produkten liefern.“

„Wir wollen den Beweis antreten, dass die drei Säulen Wirtschaftlichkeit, ökologisches und soziales Handeln unter einen Hut zu bringen sind. Diesen Beweis haben wir zumindest für uns erbracht. Als produzierendes Unternehmen im Maschinenbau versorgen wir uns mühelos mit regenerativer Energie – wir haben einen niedrigeren Energieverbrauch als vergleichbare Unternehmen und natürlich auch niedrigere Kosten.“

Übrigens: Derzeit entsteht auf dem Betriebsgelände in Glatten ein neues Firmengebäude. Aus der Kantine wird ein „Betriebsrestaurant“. Und die Gebrüder Schmalz bleiben sich treu. „Künftig werden wir, wo immer möglich, Lebensmittel aus regionaler Herkunft verarbeiten. Die werden dann bei uns nicht tiefgefroren angeliefert, sondern frisch zubereitet.“

 

Der nächste Schritt

Die von der J. Schmalz GmbH vorgelegte CO2-Bilanz basiert auf dem Greenhouse Gas Protocol des Weltressourceninstituts und des Weltwirtschaftsrats für nachhaltige Entwicklung. Die dort definierten Bilanzgrenzen sind in drei Geltungsbereiche (Scopes) unterteilt:

  • Scope 1 erfasst alle direkten Emissionen im Unternehmen.
  • Scope 2 erfasst die Emissionen zugekaufter Energie.
  • Scope 3 erfasst alle anderen Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette verursacht werden – einschließlich der Nutzungsphase und Entsorgung von Produkten.

In der derzeit vorgelegten CO2-Bilanz von Schmalz sind alle Faktoren nach Scope 1 und 2 berücksichtigt. Der nächste, weit komplexere und schwierigere Schritt – die Erweiterung der Bilanzgrenzen um Scope 3 – ist bereits in Arbeit. Er soll in naher Zukunft umgesetzt werden.

 

Energiebilanz

In den Jahren 2008 bis 2012 hat Schmalz aus regenerativen Quellen 20.853.992 Kilowattstunden Energie erzeugt. Im gleichen Zeitraum hat das Unternehmen 20.554.114 Kilowattstunden Energie verbraucht. Der Überschuss an selbst erzeugter Energie beträgt 299.878 Kilowattstunden. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 50 Prozent.

 

Energiekosten senken: Zwei Seiten einer Medaille

Es sind zwei Seiten einer Medaille: Unternehmen, die ihre Energiekosten nachhaltig senken wollen, sollten die Produktion von Solarstrom zum Eigenbedarf ernsthaft in Erwägung ziehen – und Energie sparen. Für Letzteres hat das Böblinger Unternehmen 2b-green eine bestechend einfache und kostengünstige Lösung entwickelt: Energiemanagement aus der Cloud, kurz EMaaS. Unternehmen haben jetzt die Möglichkeit, EMaaS kostenlos zu testen.

Ist das Identifizieren und Ausschöpfen von Energiesparpotenzialen schon für einen Privathaushalt eine relativ komplexe Aufgabe, so stellt sie Unternehmen häufig vor kaum lösbare Herausforderungen. Angesichts steigender Energiepreise wird es indes vor allem für kleine und mittlere Unternehmen immer wichtiger, sich diesem Thema zu stellen.

Die Steigerung der Energieeffizienz ist damit nicht nur „ein entscheidender Faktor für das Gelingen der Energiewende“, wie Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energie Agentur dena, feststellt – vielmehr dient sie zunehmend dem Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit. Allerdings: Ob mittelständische Betriebe oder Großunternehmen, ob Krankenhäuser, Versicherungen, Banken oder Handelshäuser mit Filialnetz – für die meisten dieser Unternehmen ist ihr Energieverbrauch bislang unerforschtes Terrain.

„Der effiziente Umgang mit Energie scheitert meist schon daran, dass man im Unternehmen nicht genau weiß, wo wie viel Energie verbraucht wird und wo die größten Einsparpotenziale liegen“, erklären die 2b-green Geschäftsführer Thomas Denk und Jens Kammerer. Doch wer dies ändern will, stellt schnell fest: Herkömmliche Energie-Managementlösungen sind in der Regel kompliziert und teuer, das Verhältnis von Kosten und Nutzen mitunter problematisch. „Um hier schnell und unkompliziert Abhilfe zu schaffen, haben wir `EMaaS´ entwickelt.“

Zusammenhänge transparent machen

EMaaS macht die Zusammenhänge zwischen Energieverbrauch und Nutzung transparent. Der Service, den das Böblinger Unternehmen anbietet, erlaubt die kontinuierliche Erfassung des Energieverbrauchs in Gebäuden, Rechenzentren, Büroräumen und Filialen – detailliert aufgeschlüsselt nach Verbrauchern und Verbrauchszeiten. „Unternehmen mit verteilten Liegenschaften oder mit vielen Schreibtisch-Arbeitsplätzen bekommen damit schnell einen Überblick, wo wie viel Energie verbraucht wird und wo die Einsparpotenziale liegen“, so Thomas Denk.

Dieser Überblick ist die erste Voraussetzung dafür, effizienter mit Energie umzugehen. Denn damit sind die Anwender in der Lage, steuernd einzugreifen und Energie einzusparen. Um den Einstieg so schnell und einfach wie möglich zu realisieren und die laufenden Kosten so niedrig und ressourcenschonend wie möglich zu halten, stellt 2b-green seinen Service per Cloud bereit.

Jens Kammerer: „Damit bietet EMaas zunächst schlicht die Vorteile, die Cloud-Lösungen generell auszeichnen. Wer den Service einsetzt, nutzt eine anspruchsvolle und leistungsfähige Anwendung, ohne in Server-Applikationen oder Hardware investieren oder eigenen Wartungsaufwand betreiben zu müssen.“

Innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit

Auch der Personalaufwand beim Anwender werde durch die Cloud Lösung gegenüber herkömmlichen Energiemanagement-Lösungen deutlich minimiert. Nicht zu vergessen: Das System ist sehr schnell betriebsbereit, da zentrale Installationszeiten wegfallen und nur noch die Geräte beziehungsweise gegebenenfalls Zähler angebunden werden müssen. Je nach Größe und Komplexität der Situation beim Anwender geht EMaaS in der Regel schon nach wenigen Stunden, maximal wenigen Tagen in Betrieb.

Für das Erfassen der Daten gibt es, abhängig von der vorhandenen Infrastruktur, mehrere Möglichkeiten. Sind beispielsweise bereits fernauslesbare Zähler installiert, werden die Verbrauchsdaten direkt dort abgegriffen und in das zentrale Energiemanagementsystem übernommen. „Im Einzelfall kann man auch bereits erfasste Messwerte einlesen, zusätzlich die Auslastung messen und die Korrelation zu den Verbrauchswerten betrachten. Das macht zum Beispiel Sinn bei zentral vorgehaltenen Ressourcen wie Server in der IT oder, im Gebäudemanagement, einzelne Stromkreise und die daran angeschlossen Verbraucher wie den Getränkeautomat auf der Etage. Mit diesem Vorgehen kommt man so manchen Großverbraucher auf die Schliche.“

Die Zahl der benötigten Zähler hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem spielt hierbei die gewünschte Detailtiefe eine Rolle. Ist man beispielsweise „nur“ an einem aggregierten Wert interessiert oder möchte man etwa bestimmte Stromkreise beobachten? Viele IT Systeme bieten heute schon „embedded“ Messwerte, die Rückschlüsse auf Verbrauch, Umgebung und Nutzung von Ressourcen zulassen.

Für die Übertragung ins Energiemanagement-und Auswertungssystem nutzt EMaaS beliebige herkömmliche Telekommunikationswege. Eine Besonderheit ist die große Flexibilität bei der Anbindung der Zähler. So können zum Beispiel vorhandene, kommunikative Zähler via übliche Industrieprotokolle oder IP eingebunden werden. Werden zusätzliche Zähler gewünscht, können diese entweder von 2b-green beschafft und eingebunden werden, oder der Anwender übernimmt diese Aufgabe selbst.

Thomas Denk: „Kommunikationstechnik darf nicht der limitierende Faktor sein, sondern muss flexibel nutzbar gemacht werden. Da es an einheitlichen Standards in diesen Bereichen der Übertragungstechnik mangelt, unterstützen wir eine Vielzahl an drahtlosen und drahtgebundenen Technologien. Und natürlich auch alle gängigen Protokoll-Optionen wir ModbusTCP, M-Bus, Profibus, LonWorks oder BACnet.“

Standardisierte oder individuelle Analyse-Tools

Die zu überwachenden Werte werden zyklisch von den Messstellen abgeholt. In manchen Situationen kann eine Orts-, Bereichs- oder funktionale Aggregierung lokal sinnvoll oder gewünscht sein, ist in den allermeisten Fällen jedoch nicht nötig. Die Daten werden annähernd in Echtzeit zur zentralen Auswerte-Einheit gesendet und sind über eine Web-Anwendung überall und jederzeit abrufbar.

Intuitiv nutzbare Analyse-Tools machen die Informationen transparent und lassen schnell erkennen, wo und mit welcher Priorität Handlungsbedarf besteht. Werden auf Basis dieser Auswertungen Einsparmaßnahmen getroffen, lässt sich deren Wirkung über eine Trendauswertung in Echtzeit kontrollieren. Auch ein Vergleich der Verbrauchs-Performance verschiedener Standorte ist problemlos möglich.

Dem Nutzer stehen viele standardisierte Analysemöglichkeiten zur Verfügung, die vollautomatisch laufen. Sinnvoll ist es, die gewünschten Analysen im Zuge der Inbetriebnahme einmalig einzurichten beziehungsweise an das individuelle Anforderungsprofil des Kunden anzupassen. Das minimiert den späteren administrativen Aufwand enorm und sorgt dafür, dass vom Start weg die gewünschten Informationen verfügbar sind.

Der Anwender bekommt einen gesicherten Zugriff auf ein „Customized Dashboard“, das ihm die wichtigsten Kenngrößen graphisch aufbereitet darstellt. Von dort lassen sich jederzeit die vordefinierten Reports beziehen – auf Wunsch schickt das System die Reports automatisch in einem beliebig definierbaren Intervall per E-Mail auf den Account des Nutzers. Eine Anbindung an ein Gebäudemanagement-System ist via standardisierte Web-Schnittstellen möglich.

Die standardisierten Auswertungen lassen sich an die jeweiligen Anforderungen anpassen und auf Wunsch auch als standardisierte Vorlage einstellen. So lässt sich das System beispielsweise so programmieren, dass der Anwender immer am Montagfrüh weiß, welcher Produktionslauf oder welcher Verbraucher in der Woche zuvor am wenigsten beziehungsweise am meisten Energie benötigt hat.

Energiefresser identifizieren und gegensteuern

Sind die größten Energiefresser identifiziert, gilt es, geeignete Maßnahmen zu treffen.
Thomas Denk: „Zu unserem Service gehört, dass wir unsere Kunden dabei unterstützen. Dazu haben wir ein Eco-Netzwerk aufgebaut, das auf Verbrauchsoptimierung spezialisiert ist.“

Häufig seien die klassischen Einsparpotenziale wie Licht, Klima oder Heizung in Unternehmen zwar bereits optimiert. Dennoch ist es nach seiner Aussage sinnvoll, auch den Verbrauch dieser Komponenten regelmäßig automatisiert zu überwachen und gegebenenfalls erneut zu optimieren.

Darüber hinaus schlummern im Bereich der Nutzung beziehungsweise Auslastung von Ressourcen enorme Potenziale, die bislang nur selten Beachtung finden. Dabei geht es zum Beispiel darum, welche Geräte außerhalb ihrer Nutzzeiten in einem „energy save“ Modus betrieben werden können. Sind solche Potenziale identifiziert, kann EMaaS die Geräte einzeln und nach zuvor definiertem Bedarf aus ihrem „energy save“ Modus wieder automatisch in den Betriebsmodus bringen, sofern das Endgerät dies unterstützt.

EMaaS können Unternehmen für sich nutzen, ohne dafür in eigene Hard- und Software investieren zu müssen, ohne zusätzliche Software-Agenten und ohne nennenswert eigene Ressourcen dafür bereitstellen zu müssen. Die gemeinsam genutzte Infrastruktur entspricht der eines Versorgers. Entscheidender Vorteil: Der Nutzer bezahlt nur für die tatsächlich genutzte Dienstleistung.

„Energie-Management aus der Cloud ist die ideale Lösung, um zu minimalen Kosten schnell klare Ergebnisse zu erhalten“, ist 2b-green Geschäftsführer Jens Kammerer überzeugt. „Der Anwender greift immer automatisch auf die aktuellste Version zu, und der Service lässt sich problemlos hochskalieren. Durch die Cloud-Lösung ist EMaaS innerhalb weniger Tage einsatzbereit und über jeden Browser nutzbar.“

Bis zu 35 Prozent Einsparpotenzial

Nach den Erfahrungen von 2b-green können Unternehmen mit EMaaS schon im ersten Einsatzjahr bis zu 20 Prozent ihrer Energiekosten einsparen. Wenn die Einspar- und Effizienzsteigerungsmaßnahmen richtig greifen, sind dauerhaft bis zu 35 Prozent niedrigere Energiekosten realisierbar – und das ohne jegliche Einschränkung betrieblicher Prozesse oder des Komforts in Büros, Lagerhallen oder Ladengeschäften.

Mit solchen Werten erreicht das System sensationelle Amortisationszeiten, rechnet Jens Kammerer vor: „Ein typischer Mittelständler mit Verwaltung, Vertriebs- und Produktionsstätten mit einem angenommenen jährlichen Strombedarf von 4 Mio Kilowattstunden – das ist eine realistische Größenordnung – adressiert via EMaaS im Durchschnitt ein jährliches Einsparpotential von etwa 900.000 kWh. Das entspricht Kosten von rund 120.000 Euro. Eine auf ein solches Szenario zugeschnittene Lösung schlägt mit rund 150.000 Euro zu Buche. Damit liegt die durchschnittliche Amortisationszeit bei etwa 15 Monaten.“

Davon können die Betreiber von PV-Anlagen, die mit zwölf und mehr Jahren Amortisationszeit kalkulieren, nur träumen. Allerdings: Wenn ein Unternehmen beide Seiten der Medaille im Blick hat, um im eingangs genannten Bild zu bleiben, sieht die Sache insgesamt günstiger aus. Denn die mit dem Energiemanagement aus der Cloud realisierbaren Einsparungen schaffen die Möglichkeit, den Eigenverbrauchsanteil an Solarstrom zu steigern, wenn das Energiemanagement die Stromflüsse entsprechend steuert.

Beispiel: Strom, der aktuell vom Dach kommt, geht komplett ins lokale Netz und wird direkt vor Ort verbraucht; übersteigt die Menge des verfügbaren Solarstroms den aktuellen Bedarf, kann dieser zwischengespeichert und später genutzt werden.

Jens Kammerer: „Eine weitere Möglichkeit ist, den Eigenverbrauchsanteil durch Lastverschiebung via EMaaS zu steigern, vorausgesetzt natürlich, man hat Lastverschiebepotenziale. So lässt sich beispielsweise Solarstrom, der am Sonntagnachmittag anfällt oder aus den Speichern verfügbar ist, zur Wärmeerzeugung für den Betriebsstart am Montag zu nutzen. Oder Büros, Kühlschränke und Kühlhallen sonntags etwas stärker herunterkühlen, um den Energieverbrauch am Montag zu verringern.“

Wer auf solche Weise seinen Solarstrom-Eigenverbrauch erhöht, muss weniger Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen. Die Rechnungen seines Versorgers fallen niedriger aus, und die Amortisationszeit der PV-Anlage verkürzt sich entsprechend.