Unerschöpfliche Energiequelle

Die Umwandlung unseres Energiesystems hin zu einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Energieversorgung – ohne CO2-Ausstoß und ohne fossile Energieträger – hat längst begonnen. Eine zentrale Rolle dabei spielen Wärmepumpen. Davon sind Experten beim Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE überzeugt. Eine Einschätzung, die auch Clemens Dereschkewitz, Geschäftsführer des Wärmepumpen-Herstellers alpha-innotec, teilt (siehe Interview „Auf den Sanierungsmarkt vorbereitet“).

Bislang dominieren Windräder und Photovoltaik-Anlagen, Pelletheizungen und Biogas das Thema regenerative Energiequellen. Daneben gibt es Umweltwärme, die in praktisch unerschöpflichem Maße zur Verfügung steht, erklärt Professor Hans-Martin Henning vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. „Diese Energie werden wir zunehmend nutzen müssen.“

Wenn man unser Energiesystem und mögliche Lösungen im Sinne der Umwelt betrachte, werde rasch klar: „Gute Gebäudedämmung und Strom aus regenerativen Quellen allein reicht nicht.“ Solarthermie könne lediglich als Ergänzung zu anderen Elementen fungieren, und auch Biomasse sei nicht geeignet, die Transformation des Systems in großem Stil voranzubringen. „Das ist ein zu knappes Gut.“

Was heute kaum genutzt wird, ist die Wärme aus unserer Umwelt. Und genau das ist die Domäne der Wärmepumpe. Eine elektrische Wärmepumpe macht aus jeder eingesetzten Kilowattstunde Strom bereits heute das Drei- bis Fünffache an Wärmeenergie. Kommt dieser Strom aus dem öffentlichen Netz, was zumindest heute noch die Regel ist, dann spielt der Energiemix eine wesentliche Rolle. „Je höher der Anteil von `grünem´ Strom im Netz, desto besser die CO2-Bilanz der Wärmepumpe.“

Primärenergiefaktor für Strom sinkt erneut

Dies spiegelt sich in den gesetzlichen Vorgaben wider, wenn es um die energetische Bilanz eines Gebäudes und dessen Heizanlage, um Fördergelder und günstige KfW-Kredite geht. Eine wichtige Größe hierbei ist der sogenannte Primärenergiefaktor PEF.

Der PEF wird vom Gesetzgeber für jeden Energieträger (Kohle, Öl, Gas, Holz, Strom etc.) festgelegt. Er ist das Maß für den Energiebedarf in der gesamten Umwandlungskette. Im Falle von Strom gehört dazu beispielsweise der Abbau von Kohle, deren Transport zum Kraftwerk und die Verstromung bis hin zur Verteilung der elektrischen Energie an den Endverbraucher.

Je mehr „grüner“ Strom produziert und ins Netz eingespeist wird, desto niedriger der Primärenergiefaktor für Strom insgesamt. Und desto günstiger werden elektrisch betriebene Heizsysteme unter dem Aspekt ihrer CO2-Emission bewertet.

Aufgrund des stetig steigenden Anteils erneuerbarer Energien in Deutschland wurde in der Energieeinsparverordnung (EnEV) der PEF für Strom in den vergangenen Jahren bereits dreimal nach unten korrigiert – von ursprünglich 3,0 auf mittlerweile 1,8. Dieser neue Wert gilt seit 1. Januar 2016. Wichtig in diesem Zusammenhang: Die der Umgebung entnommene Wärmeenergie hat den PEF 0,0.

Gute Karten also für die Wärmepumpe. Langfristig werde sie wahrscheinlich das wichtigste Versorgungssystem für Gebäude, meint der Fraunhofer-Experte. „Dazu werden wir allerdings verstärkt Wärmespeicher brauchen. Zum einen, um die Systeme an das Bedarfsprofil des einzelnen Verbrauchers anzupassen, zum anderen aber auch aus Systemsicht.“

Marktdesign muss Schwankungen ausgleichen

Eine wesentliche Herausforderung bei der Gestaltung unseres künftigen Energiesystems nämlich sei es, die hohe Volatilität der Erneuerbaren zu managen. Denn die über Wind und Photovoltaik eingespeisten Strommengen schwanken bekanntlich stark. „Das Marktdesign muss diese Schwankungen so weit wie möglich ausgleichen und Spitzenlasten und Spitzeneinspeisungen abfedern.“

Ein Steuerungsmechanismus sind variable Stromtarife, die sich an der jeweils aktuellen Netzauslastung orientieren. Stichwort „Smart Grid“, das intelligente Netz. Wer seine Wärmepumpe mit einem Pufferspeicher kombiniert, kann davon in Zukunft profitieren. „Viele Wärmepumpen sind für den Smart-Grid-Betrieb bereits vorbereitet. Diese Geräte werden künftig dann Wärme erzeugen, wenn der Strom günstig ist und diese Wärme zwischenspeichern.“

Für den Verbraucher, der sich mit dem Gedanken trägt, eine Wärmepumpe zu installieren, steht in aller Regel die Wirtschaftlichkeit ganz oben auf der Prioritätenliste. Und da sieht Hans-Martin Henning die Politik in der Pflicht. „Strom ist heute wesentlich stärker durch Abgaben belastet als fossile Brennstoffe. Das ist nicht im Sinne der Energiewende.“

Auch die CO2-Abgabe auf Basis des heutigen Zertifikate-Handels sieht der Experte kritisch. Sie betreffe nur die Kraftwerksbetreiber, nicht jedoch die Brennstoffhändler – auch das ein Ungleichgewicht zu Lasten der erneuerbaren Energien. „Die Politik sollte den Marktrahmen so gestalten, dass Strom günstiger wird.“ Denn Strom sei durch den Anteil der Erneuerbaren heute schon oft umweltfreundlicher als jeder fossile Brennstoff.

Wärmepumpe wird sich durchsetzen

Noch dominiert die Wärmepumpe den Heizungsmarkt in Deutschland nicht – der Anteil installierter Einheiten in Neubauten liegt derzeit im Bundesdurchschnitt bei 37 Prozent, in Sanierungsobjekten deutlich darunter. Doch der Trend zeigt nach oben. Dass er sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird, davon sind die Wissenschaftler beim Fraunhofer ISE überzeugt.

Schon jetzt ist der Wärmepumpenmarkt in Skandinavien, insbesondere in Schweden und der Schweiz, bereits sehr ausgeprägt, wie Dr.-Ing. Marek Miara erklärt. Er leitet die Gruppe Wärmepumpen am Fraunhofer ISE. „In beiden Ländern liegt der Anteil von Wärmepumpeninstallationen in neuen Wohngebäuden bei über 80 Prozent.“ Auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Österreich und Polen habe inzwischen eine sehr dynamische Entwicklung eingesetzt.

Zwei Trends sind laut Miara mit dem Einsatz der Wärmepumpe in Bestandsgebäuden verbunden. Erstens: Um die höheren Vorlauftemperaturen zu realisieren, die im Bestand typischerweise erforderlich sind, gibt es immer mehr Hochtemperatur-Wärmepumpen am Markt. „Solche Anlagen sind in der Lage, Temperaturen von 65°C und höher bereitzustellen.“

Zweiter Trend sind Systemkombinationen, bei denen meist elektrische Wärmepumpen mit fossil betriebenen Kesseln wie etwa Pellet-, Öl-, Gas- oder Holzheizungen kombiniert werden. „Besonders beim Austausch alter Heizkessel in Bestandsgebäuden kann diese Technologie in den nächsten Jahren an Relevanz gewinnen“, so Marek Miara.

Auch er ist überzeugt, dass Wärmepumpen eine wichtige Rolle im intelligenten Stromnetz der Zukunft spielen werden. „Sie wandeln elektrische Energie effizient in thermische Energie um und puffern diese für eine bestimmte Zeit – entweder in Warmwasserspeichern oder auch in der Gebäudemasse.“

Zusätzlich wird die Kombination von Wärmepumpen mit Batteriesystemen an Bedeutung gewinnen. Letztere speichern Strom, der ja in Deutschland zunehmend aus erneuerbaren Quellen wie Offshore Windparks oder Photovoltaik-Anlagen kommt, um ihn bei Bedarf für den Betrieb der Wärmepumpe zur Verfügung zu stellen.

Auf diese Weise lassen sich Bedarf und Verbrauch zeitlich entkoppeln. „Damit können Wärmepumpenanlagen mit intelligenter Steuerung angesichts der fluktuierenden Stromerzeugung netzstabilisierend wirken.“

 

Wärmepumpe schlägt alle fossilen Heizsysteme

Herr Miara, welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht die Wärmepumpe für die Transformation unseres Energiesystems?

Marek Miara: „Einen großen. Alle Studien sagen, dass die Wärmepumpe künftig einen riesigen Anteil haben wird. Die Elektrifizierung von Heizsystemen nimmt zu. Strom ist die höchste Form von Energie, er ist sehr vielseitig einsetzbar, und der Anteil an Erneuerbaren Energien steigt, in Deutschland liegt er schon jetzt bei über 25 Prozent. Für das Energiesystem liegt der Hauptvorteil darin, dass sich mit der Wärmepumpe ein guter Ausgleich zwischen Produktion und Bedarf realisieren lässt. Das ist angesichts der Zunahme der Erneuerbaren, die ja nicht so einfach steuerbar sind wie ein herkömmliches Kraftwerk, von großer Bedeutung.“

Welches sind die entscheidenden Faktoren, die aus Sicht des Energiesystems den Trend in Richtung Wärmepumpe speisen?

Marek Miara: „Erstens schlägt eine korrekt geplante und richtig installierte Wärmepumpe ökologisch alle fossilen Energieträger, wenn es um die Produktion von Wärme geht. Zweitens: Die politischen oder, wenn Sie so wollen, gesellschaftlichen Ziele der CO2-Reduktion sind nur mit der Wärmepumpe zu erreichen. Mit dieser Technologie kann man sowohl den CO2-Ausstoß verringern als auch den Bedarf an Primärenergie.“

Und welche Vorteile hat die Wärmepumpe für den einzelnen Nutzer gegenüber anderen Heizsystemen?

Marek Miara: „Für den einzelnen Nutzer gibt es eine ganze Reihe von Gründen, die für die Wärmepumpe sprechen. Sie arbeitet energieeffizient und bietet klare ökologische Vorteile. Sie hilft Primärenergie und in vielen Fällen Betriebskosten zu sparen. Wer sie mit einer Photovoltaik-Anlage koppelt, kann damit seinen Eigenverbrauch steigern. Nicht zu vergessen: Man braucht keinen Schornstein, keinen Tank oder sonstigen Platz für den Energieträger.“

Wie schätzen Sie das Marktpotenzial der Wärmepumpe für die nächsten Jahre ein – in Neubauten, in Bestandsgebäuden, im Geschosswohnungsbau?

Marek Miara: „Im Neubau ist das die Lösung der Zukunft. In bestimmten Regionen in Deutschland liegt der Anteil der Wärmepumpe in Neubauten schon über 50 Prozent, manche sprechen sogar schon von 70 bis 80 Prozent. Alle Experten sind sich einig, dass die Weichen richtig gestellt sind und alles für die Wärmepumpe spricht – die politischen Ziele, das EU-Energielabel, die EnEV. Den Vorgaben der EnEV gerecht zu werden, ist ohne Wärmepumpe sehr schwierig. Dass der PEF für Strom seit Januar 2016 auf 1,8 gesunken ist, bringt sicher zusätzliche Impulse.

Im Bestand wird die Entwicklung noch etwas länger dauern. Das liegt zum einen an Platzproblemen in Altbauten, vor allem aber an den höheren Vorlauftemperaturen, die hier benötigt werden. Dieses Thema wird sich in den nächsten Jahren lösen, weil es immer mehr eigens für Bestandsgebäude entwickelte Systeme gibt.

Beim Geschosswohnungsbau laufen derzeit einige Projekte, an denen auch Fraunhofer ISE beteiligt ist. Hier sehen wir ebenfalls großes Potenzial, aber es sind noch einige Probleme zu lösen wie die Vorlauftemperatur oder die Warmwasserbereitung für größere Wohneinheiten.“

 

Starkes Wachstum prognostiziert

Wie lässt sich die Transformation des deutschen Energiesystems kostenoptimal umsetzen? Dieser Frage widmen sich die Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE unter anderem mit umfangreichen Modellierungen. Sie analysieren dabei unter anderem die Technologien, die für die Energiewende benötigt werden, und deren Verbreitung in den kommenden Jahrzehnten.

Für die Wärmeversorgung von Gebäuden kommt die wahrscheinlich größte Bedeutung demnach in den nächsten Jahrzehnten der elektrischen Wärmepumpe zu. Derzeit sind in Deutschland laut alpha-innotec rund 700.000 Geräte installiert, bis in zehn Jahren, so die Ergebnisse einer aktuellen Fraunhofer-Modellierung, könnte die Zahl der installierten Einheiten einschließlich thermisch angetriebener Systeme weit über zehn Millionen liegen, bis 2040 bei annähernd 20 Millionen.

 

Quellen-Nachweis:

Interview mit Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Deputy Director, Director, Division Thermal Systems and Buildings, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Interview mit Dr.-Ing. Marek Miara, Head of Group Heat Pumps, Division Thermal Systems and Buildings, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Wärmepumpen
Heizen – Kühlen – Umweltenergie nutzen
BINE-Fachbuch
Marek Miara, u. a.
Hrsg.: FIZ Karlsruhe, BINE Informationsdienst, Bonn
2013, 166 S., 98 farb. Abb., Tab., Kartoniert
Fraunhofer IRB Verlag
ISBN 978-3-8167-9046-4