Unerschöpfliche Energiequelle

Die Umwandlung unseres Energiesystems hin zu einer umweltfreundlichen und nachhaltigen Energieversorgung – ohne CO2-Ausstoß und ohne fossile Energieträger – hat längst begonnen. Eine zentrale Rolle dabei spielen Wärmepumpen. Davon sind Experten beim Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE überzeugt. Eine Einschätzung, die auch Clemens Dereschkewitz, Geschäftsführer des Wärmepumpen-Herstellers alpha-innotec, teilt (siehe Interview „Auf den Sanierungsmarkt vorbereitet“).

Bislang dominieren Windräder und Photovoltaik-Anlagen, Pelletheizungen und Biogas das Thema regenerative Energiequellen. Daneben gibt es Umweltwärme, die in praktisch unerschöpflichem Maße zur Verfügung steht, erklärt Professor Hans-Martin Henning vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. „Diese Energie werden wir zunehmend nutzen müssen.“

Wenn man unser Energiesystem und mögliche Lösungen im Sinne der Umwelt betrachte, werde rasch klar: „Gute Gebäudedämmung und Strom aus regenerativen Quellen allein reicht nicht.“ Solarthermie könne lediglich als Ergänzung zu anderen Elementen fungieren, und auch Biomasse sei nicht geeignet, die Transformation des Systems in großem Stil voranzubringen. „Das ist ein zu knappes Gut.“

Was heute kaum genutzt wird, ist die Wärme aus unserer Umwelt. Und genau das ist die Domäne der Wärmepumpe. Eine elektrische Wärmepumpe macht aus jeder eingesetzten Kilowattstunde Strom bereits heute das Drei- bis Fünffache an Wärmeenergie. Kommt dieser Strom aus dem öffentlichen Netz, was zumindest heute noch die Regel ist, dann spielt der Energiemix eine wesentliche Rolle. „Je höher der Anteil von `grünem´ Strom im Netz, desto besser die CO2-Bilanz der Wärmepumpe.“

Primärenergiefaktor für Strom sinkt erneut

Dies spiegelt sich in den gesetzlichen Vorgaben wider, wenn es um die energetische Bilanz eines Gebäudes und dessen Heizanlage, um Fördergelder und günstige KfW-Kredite geht. Eine wichtige Größe hierbei ist der sogenannte Primärenergiefaktor PEF.

Der PEF wird vom Gesetzgeber für jeden Energieträger (Kohle, Öl, Gas, Holz, Strom etc.) festgelegt. Er ist das Maß für den Energiebedarf in der gesamten Umwandlungskette. Im Falle von Strom gehört dazu beispielsweise der Abbau von Kohle, deren Transport zum Kraftwerk und die Verstromung bis hin zur Verteilung der elektrischen Energie an den Endverbraucher.

Je mehr „grüner“ Strom produziert und ins Netz eingespeist wird, desto niedriger der Primärenergiefaktor für Strom insgesamt. Und desto günstiger werden elektrisch betriebene Heizsysteme unter dem Aspekt ihrer CO2-Emission bewertet.

Aufgrund des stetig steigenden Anteils erneuerbarer Energien in Deutschland wurde in der Energieeinsparverordnung (EnEV) der PEF für Strom in den vergangenen Jahren bereits dreimal nach unten korrigiert – von ursprünglich 3,0 auf mittlerweile 1,8. Dieser neue Wert gilt seit 1. Januar 2016. Wichtig in diesem Zusammenhang: Die der Umgebung entnommene Wärmeenergie hat den PEF 0,0.

Gute Karten also für die Wärmepumpe. Langfristig werde sie wahrscheinlich das wichtigste Versorgungssystem für Gebäude, meint der Fraunhofer-Experte. „Dazu werden wir allerdings verstärkt Wärmespeicher brauchen. Zum einen, um die Systeme an das Bedarfsprofil des einzelnen Verbrauchers anzupassen, zum anderen aber auch aus Systemsicht.“

Marktdesign muss Schwankungen ausgleichen

Eine wesentliche Herausforderung bei der Gestaltung unseres künftigen Energiesystems nämlich sei es, die hohe Volatilität der Erneuerbaren zu managen. Denn die über Wind und Photovoltaik eingespeisten Strommengen schwanken bekanntlich stark. „Das Marktdesign muss diese Schwankungen so weit wie möglich ausgleichen und Spitzenlasten und Spitzeneinspeisungen abfedern.“

Ein Steuerungsmechanismus sind variable Stromtarife, die sich an der jeweils aktuellen Netzauslastung orientieren. Stichwort „Smart Grid“, das intelligente Netz. Wer seine Wärmepumpe mit einem Pufferspeicher kombiniert, kann davon in Zukunft profitieren. „Viele Wärmepumpen sind für den Smart-Grid-Betrieb bereits vorbereitet. Diese Geräte werden künftig dann Wärme erzeugen, wenn der Strom günstig ist und diese Wärme zwischenspeichern.“

Für den Verbraucher, der sich mit dem Gedanken trägt, eine Wärmepumpe zu installieren, steht in aller Regel die Wirtschaftlichkeit ganz oben auf der Prioritätenliste. Und da sieht Hans-Martin Henning die Politik in der Pflicht. „Strom ist heute wesentlich stärker durch Abgaben belastet als fossile Brennstoffe. Das ist nicht im Sinne der Energiewende.“

Auch die CO2-Abgabe auf Basis des heutigen Zertifikate-Handels sieht der Experte kritisch. Sie betreffe nur die Kraftwerksbetreiber, nicht jedoch die Brennstoffhändler – auch das ein Ungleichgewicht zu Lasten der erneuerbaren Energien. „Die Politik sollte den Marktrahmen so gestalten, dass Strom günstiger wird.“ Denn Strom sei durch den Anteil der Erneuerbaren heute schon oft umweltfreundlicher als jeder fossile Brennstoff.

Wärmepumpe wird sich durchsetzen

Noch dominiert die Wärmepumpe den Heizungsmarkt in Deutschland nicht – der Anteil installierter Einheiten in Neubauten liegt derzeit im Bundesdurchschnitt bei 37 Prozent, in Sanierungsobjekten deutlich darunter. Doch der Trend zeigt nach oben. Dass er sich in den nächsten Jahren noch verstärken wird, davon sind die Wissenschaftler beim Fraunhofer ISE überzeugt.

Schon jetzt ist der Wärmepumpenmarkt in Skandinavien, insbesondere in Schweden und der Schweiz, bereits sehr ausgeprägt, wie Dr.-Ing. Marek Miara erklärt. Er leitet die Gruppe Wärmepumpen am Fraunhofer ISE. „In beiden Ländern liegt der Anteil von Wärmepumpeninstallationen in neuen Wohngebäuden bei über 80 Prozent.“ Auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Österreich und Polen habe inzwischen eine sehr dynamische Entwicklung eingesetzt.

Zwei Trends sind laut Miara mit dem Einsatz der Wärmepumpe in Bestandsgebäuden verbunden. Erstens: Um die höheren Vorlauftemperaturen zu realisieren, die im Bestand typischerweise erforderlich sind, gibt es immer mehr Hochtemperatur-Wärmepumpen am Markt. „Solche Anlagen sind in der Lage, Temperaturen von 65°C und höher bereitzustellen.“

Zweiter Trend sind Systemkombinationen, bei denen meist elektrische Wärmepumpen mit fossil betriebenen Kesseln wie etwa Pellet-, Öl-, Gas- oder Holzheizungen kombiniert werden. „Besonders beim Austausch alter Heizkessel in Bestandsgebäuden kann diese Technologie in den nächsten Jahren an Relevanz gewinnen“, so Marek Miara.

Auch er ist überzeugt, dass Wärmepumpen eine wichtige Rolle im intelligenten Stromnetz der Zukunft spielen werden. „Sie wandeln elektrische Energie effizient in thermische Energie um und puffern diese für eine bestimmte Zeit – entweder in Warmwasserspeichern oder auch in der Gebäudemasse.“

Zusätzlich wird die Kombination von Wärmepumpen mit Batteriesystemen an Bedeutung gewinnen. Letztere speichern Strom, der ja in Deutschland zunehmend aus erneuerbaren Quellen wie Offshore Windparks oder Photovoltaik-Anlagen kommt, um ihn bei Bedarf für den Betrieb der Wärmepumpe zur Verfügung zu stellen.

Auf diese Weise lassen sich Bedarf und Verbrauch zeitlich entkoppeln. „Damit können Wärmepumpenanlagen mit intelligenter Steuerung angesichts der fluktuierenden Stromerzeugung netzstabilisierend wirken.“

 

Wärmepumpe schlägt alle fossilen Heizsysteme

Herr Miara, welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht die Wärmepumpe für die Transformation unseres Energiesystems?

Marek Miara: „Einen großen. Alle Studien sagen, dass die Wärmepumpe künftig einen riesigen Anteil haben wird. Die Elektrifizierung von Heizsystemen nimmt zu. Strom ist die höchste Form von Energie, er ist sehr vielseitig einsetzbar, und der Anteil an Erneuerbaren Energien steigt, in Deutschland liegt er schon jetzt bei über 25 Prozent. Für das Energiesystem liegt der Hauptvorteil darin, dass sich mit der Wärmepumpe ein guter Ausgleich zwischen Produktion und Bedarf realisieren lässt. Das ist angesichts der Zunahme der Erneuerbaren, die ja nicht so einfach steuerbar sind wie ein herkömmliches Kraftwerk, von großer Bedeutung.“

Welches sind die entscheidenden Faktoren, die aus Sicht des Energiesystems den Trend in Richtung Wärmepumpe speisen?

Marek Miara: „Erstens schlägt eine korrekt geplante und richtig installierte Wärmepumpe ökologisch alle fossilen Energieträger, wenn es um die Produktion von Wärme geht. Zweitens: Die politischen oder, wenn Sie so wollen, gesellschaftlichen Ziele der CO2-Reduktion sind nur mit der Wärmepumpe zu erreichen. Mit dieser Technologie kann man sowohl den CO2-Ausstoß verringern als auch den Bedarf an Primärenergie.“

Und welche Vorteile hat die Wärmepumpe für den einzelnen Nutzer gegenüber anderen Heizsystemen?

Marek Miara: „Für den einzelnen Nutzer gibt es eine ganze Reihe von Gründen, die für die Wärmepumpe sprechen. Sie arbeitet energieeffizient und bietet klare ökologische Vorteile. Sie hilft Primärenergie und in vielen Fällen Betriebskosten zu sparen. Wer sie mit einer Photovoltaik-Anlage koppelt, kann damit seinen Eigenverbrauch steigern. Nicht zu vergessen: Man braucht keinen Schornstein, keinen Tank oder sonstigen Platz für den Energieträger.“

Wie schätzen Sie das Marktpotenzial der Wärmepumpe für die nächsten Jahre ein – in Neubauten, in Bestandsgebäuden, im Geschosswohnungsbau?

Marek Miara: „Im Neubau ist das die Lösung der Zukunft. In bestimmten Regionen in Deutschland liegt der Anteil der Wärmepumpe in Neubauten schon über 50 Prozent, manche sprechen sogar schon von 70 bis 80 Prozent. Alle Experten sind sich einig, dass die Weichen richtig gestellt sind und alles für die Wärmepumpe spricht – die politischen Ziele, das EU-Energielabel, die EnEV. Den Vorgaben der EnEV gerecht zu werden, ist ohne Wärmepumpe sehr schwierig. Dass der PEF für Strom seit Januar 2016 auf 1,8 gesunken ist, bringt sicher zusätzliche Impulse.

Im Bestand wird die Entwicklung noch etwas länger dauern. Das liegt zum einen an Platzproblemen in Altbauten, vor allem aber an den höheren Vorlauftemperaturen, die hier benötigt werden. Dieses Thema wird sich in den nächsten Jahren lösen, weil es immer mehr eigens für Bestandsgebäude entwickelte Systeme gibt.

Beim Geschosswohnungsbau laufen derzeit einige Projekte, an denen auch Fraunhofer ISE beteiligt ist. Hier sehen wir ebenfalls großes Potenzial, aber es sind noch einige Probleme zu lösen wie die Vorlauftemperatur oder die Warmwasserbereitung für größere Wohneinheiten.“

 

Starkes Wachstum prognostiziert

Wie lässt sich die Transformation des deutschen Energiesystems kostenoptimal umsetzen? Dieser Frage widmen sich die Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE unter anderem mit umfangreichen Modellierungen. Sie analysieren dabei unter anderem die Technologien, die für die Energiewende benötigt werden, und deren Verbreitung in den kommenden Jahrzehnten.

Für die Wärmeversorgung von Gebäuden kommt die wahrscheinlich größte Bedeutung demnach in den nächsten Jahrzehnten der elektrischen Wärmepumpe zu. Derzeit sind in Deutschland laut alpha-innotec rund 700.000 Geräte installiert, bis in zehn Jahren, so die Ergebnisse einer aktuellen Fraunhofer-Modellierung, könnte die Zahl der installierten Einheiten einschließlich thermisch angetriebener Systeme weit über zehn Millionen liegen, bis 2040 bei annähernd 20 Millionen.

 

Quellen-Nachweis:

Interview mit Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Deputy Director, Director, Division Thermal Systems and Buildings, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Interview mit Dr.-Ing. Marek Miara, Head of Group Heat Pumps, Division Thermal Systems and Buildings, Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE

Wärmepumpen
Heizen – Kühlen – Umweltenergie nutzen
BINE-Fachbuch
Marek Miara, u. a.
Hrsg.: FIZ Karlsruhe, BINE Informationsdienst, Bonn
2013, 166 S., 98 farb. Abb., Tab., Kartoniert
Fraunhofer IRB Verlag
ISBN 978-3-8167-9046-4

Stille Revolution im Schwarzwald

Die produzierende Industrie wird gern als Beispiel dafür genommen, die Energiewende lasse sich nicht rasch und keineswegs überall umsetzen. Das international erfolgreiche Maschinenbauunternehmen Schmalz hat für sich den Beweis erbracht: Ökonomie und Ökologie schließen sich nicht aus. Allerdings sind Konsequenz und Innovationskraft gefragt.

Das Holzstück, das Wolfgang Schmalz hochhält, ist nicht viel größer als eine Zigarettenschachtel, genau: 3,2 x 9 x 12 Zentimeter. Douglasie. „Hier drin steckt eine Kilowattstunde Energie. Damit können Sie sich rund 1.800mal elektrisch rasieren oder ein Auto mit einer Tonne Gewicht um 360 Meter in die Höhe heben.“

Der Mann hat griffige Bilder parat, wenn er seine Welt erklärt. Und wenn er das tut, unaufgeregt und mit einer Klarheit, die selten geworden ist in unserer Zeit, dann ist mit Händen zu greifen, dass da einer meint, was er sagt. Und dass er zu tun gewohnt ist, was seiner innersten Überzeugung entspricht: verantwortlich handeln, nachhaltig wirtschaften, langfristig denken.

Gemeinsam mit seinem Bruder Kurt ist Wolfgang Schmalz Geschäftsführender Gesellschafter der J. Schmalz GmbH in Glatten, acht Kilometer südöstlich von Freudenstadt. Ihre Welt – das ist der Schwarzwald, das ist Glatten an der Glatt, ein Flüsschen, das durch den Ort und durchs Betriebsgelände fließt. Das sind die Menschen, die hier leben – wie sie. Und das ist ein Unternehmen, das seit seiner Gründung im Jahr 1910 durch den Großvater Johannes Schmalz von der Familie geführt wird, inzwischen in der dritten Generation.

Erneuerung hat Tradition

Die J. Schmalz GmbH zählt zu den weltweit führenden Anbietern von Vakuum-Technologie. Das Unternehmen beschäftigt rund 800 Mitarbeiter weltweit, unterhält Tochtergesellschaften in 16 Ländern und vertreibt seine Produkte in mehr als 50 Ländern. Seinen wirtschaftlichen Erfolg verknüpft Schmalz mit sozialer Verantwortung und einer bemerkenswert konsequenten Nachhaltigkeits-Strategie. Kurz: Hier, mitten im Schwarzwald, gehen Tradition und Fortschritt, Ökologie und Ökonomie Hand in Hand.

Das alles hat nichts mit jener Art Nachhaltigkeits-Management zu tun, die sich ein ökologisches Mäntelchen umhängt, weil das dem Zeitgeist entspringt und Wettbewerbsvorteile durch Imagegewinn verspricht. Und es ist erst recht nicht getrieben von dem „grünen Gewissen“ jener Zeitgenossen, die industrielle Produktion und wirtschaftliches Denken allzu gerne als natürlichen „Feind“ der Nachhaltigkeit verteufeln.

Vielmehr folgen Kurt und Wolfgang Schmalz einer Spur, die bereits ihr Großvater Johannes vor mehr als hundert Jahren legte: Als Standort für seine neu zu gründende Rasierklingenfabrik suchte er sich ein Grundstück direkt an der Glatt aus. Dort stand eine Ölmühle, deren Wasserkraft er zunächst über Transmissionsriemen für die Produktion nutzte – erneuerbare Energiequellen als Wirtschaftlichkeitsfaktor.

Das Geschäft florierte, und 1922 ersetzte der umtriebige Mechanikermeister und Fabrikant das alte Mühlrad durch zwei Francisturbinen, mit denen er Strom erzeugte. Schon damals unterstützte der sozial denkende Unternehmer übrigens auch caritative Einrichtungen mit Geldspenden.

Von Rasierklingen zu Flugzeugtreppen

1945 übernahm der Sohn des Firmengründers, Artur Schmalz, das Ruder. Die Zeiten waren schwierig: Nicht nur, dass sich die Zahl der Wettbewerber im deutschen Markt innerhalb weniger Jahre verzehnfachte, der Elektrorasierer begann die Rasierklinge aus dem Markt zu drängen. Also stellte Artur Schmalz mit großem Einfallsreichtum und dem Gespür für neue Märkte sein Produktportfolio radikal um – auf Transportgeräte, zum Beispiel für Post, Bahn und Flughäfen. Von Flughafengepäckwagen und fahrbaren Cockpittreppen über Lacktrockenwagen für Möbelhersteller bis hin zu Servierwagen für die Gastronomie reichte die Schmalzsche Produktpalette. Und der Erfolg gab Artur Schmalz recht.

Inzwischen wuchsen die Söhne Kurt und Wolfgang heran. Ihr Studium an der Universität Stuttgart schlossen sie als Diplom-Ingenieure im Maschinenbau ab. Kurt promovierte zusätzlich an der Technischen Universität Wien in Betriebswirtschaft. 1984 übernahm er die Unternehmensführung, die er seit 1990 gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Wolfgang innehat.

Schon früh erkannte Kurt Schmalz, dass die Zeit guter Geschäfte mit Transportgeräten vorbei war. Das Unternehmen brauchte erneut ein neues Produktprogramm. Die Anfrage eines größeren Schreinerbetriebs aus Bayern gab den entscheidenden Impuls, den Kurt Schmalz – ganz Schwarzwälder Tüftler – schnell in ein geradezu geniales Produkt umsetzte. „Ich wurde nach einer Möglichkeit gefragt, wie man die Füllungen einer Türe beim Schleifen und Bearbeiten festhalten könne. So kam mir die Idee mit dem Vakuum.“ Er baute einen Arbeitstisch mit Vakuum-Saugern, der Kunde war „überaus zufrieden.“ Die Idee für das nächste Geschäftsfeld war geboren – und was für eine Idee: Das Unternehmen wuchs rasant und expandiert seit 1998 in ausländische Märkte.

Lust am Vorausdenken

Heute erzielt die J. Schmalz GmbH die Hälfte ihres Umsatzes im Ausland. Ein Erfolg, der nicht zuletzt der in Glatten herrschenden Unternehmenskultur geschuldet ist: Kurt und Wolfgang Schmalz schaffen es offenbar, ihre Mitarbeiter zu begeistern und auf die spannende Reise zu immer neuen Ideen mitzunehmen – durch „aktives Wissensmanagement und offene Kommunikation“, wie es in einer Firmenbroschüre heißt.

Die Firmenlenker investieren stolze 8,5 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung, das Unternehmen glänzt in Deutschland mit einer Ausbildungsquote von rund 14 Prozent. Und es pflegt ein internes Vorschlagswesen, das seinesgleichen sucht: 5.400 Verbesserungsvorschläge wurden im Jahr 2012 eingereicht – das sind mehr als zehn Vorschläge pro Mitarbeiter am Stammsitz. Zum Vergleich: Nach den Zahlen des Deutschen Instituts für Betriebswirtschaft brachten es die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer im gleichen Zeitraum auf durchschnittlich 0,82 Vorschläge pro Mitarbeiter.

Wer nun denkt, der größte Teil der Vorschläge bei Schmalz wandere in die sprichwörtliche Tonne, der irrt. Die Umsetzungsquote in Glatten liegt bei 70 Prozent. Die Lust der Gebrüder Schmalz an Erneuerung und der ständigen Verbesserung von Produkten und Prozessen scheint anzustecken.

Und sie ist der Nährboden für außergewöhnliche Leistungen. Aktuell verfügt die J. Schmalz GmbH über rund 400 angemeldete und erteilte Schutzrechte. Jedes Jahr melden die Schwarzwälder weit über ein Dutzend neue Patente an. Mit annähernd vier Patenten pro hundert Mitarbeiter und Jahr liegen sie dreimal so hoch wie der Durchschnitt der Top-10-Patentanmelder.

Dazu passt, dass Schmalz im April 2014 öffentlich einen Innovationspreis ausgeschrieben hat, Untertitel: „Der Wettbewerb für Vorausdenker“. Die innovativste Idee wird mit 4.000 Euro prämiert. Zusätzlich wird die beste Idee eines Studenten mit einem vierwöchigen Praktikum inklusive 3.000 Euro Gehalt belohnt.

CO2-freie Produktion

Parallel zur wirtschaftlichen Weiterentwicklung ihres Unternehmens etablierten die beiden Brüder das Schmalz ecoSystem. Dieses System vereint die drei Eckpfeiler ihres unternehmerischen Selbstverständnisses: Ökonomie, soziales Engagement, Ökologie und Ressourcenschonung.

Obwohl im energieintensiven Maschinenbau zuhause, erzeugt das Unternehmen seit vielen Jahren mehr Strom und Wärme aus erneuerbaren Quellen als es verbraucht und produziert gänzlich CO2-frei. Es baut seine Anlagen zur Erzeugung „grüner“ Energie kontinuierlich aus, um den Eigenverbrauch möglichst optimal damit abzudecken. Zugleich werden Anlagen, Prozesse und Materialeinsatz ständig in Sachen Energieeffizienz optimiert. Die Produkte, die Schmalz entwickelt und produziert, zeichnen sich durch einen wesentlich geringeren CO2-Fußabdruck aus als vergleichbare Produkte.

Biomasse aus heimischen Wäldern

Zunächst zu den Energiequellen. Wolfgang Schmalz lächelt und verweist auf das eingangs erwähnte Stück Holz: „Wir sind umzingelt von Biomasse und haben gute Alternativen zum Öl.“ Also wurde ließ Artur Schmalz bereits im Jahr 1987 die erste Holzhackschnitzel-Heizanlage installieren – lange bevor es solche Anlagen schlüsselfertig auf dem Markt gab. Sie wurde 2007 durch eine wesentlich leistungsfähigere Anlage mit 500 kW Nennleistung ersetzt. Die kostete zwar ungefähr das Zehnfache wie eine Ölheizung, aber – so Wolfgang Schmalz – „Öl hätte unsere Ökobilanz und auf lange Sicht auch die wirtschaftliche Bilanz belastet. Im Übrigen sorgen wir durch die Nutzung von Holz aus der Umgebung dafür, dass die Kaufkraft im Land bleibt.“

Über die ersten sechs Jahre sei die Kostenbelastung durch die Holzhackschnitzel-Heizung höher gewesen als mit Öl, danach aber schlug das Pendel zugunsten der erneuerbaren Energie um.

Heute produziert Schmalz mit Biomasse aus den heimischen Wäldern im langjährigen Mittel rund 1,25 Millionen Kilowattstunden thermische Energie pro Jahr, hinzu kommen knapp 11.000 Kilowattstunden Solarthermie. Damit deckt Schmalz den Energiebedarf für Raumwärme und Warmwasserbereitung nahezu komplett durch die Nutzung von Solarthermie und Biomasse ab.

Ein ausgeklügeltes Wärmerückgewinnungssystem liefert mehr als 800.000 Kilowattstunden zusätzliche Nutzenergie aus Raum- und Prozesswärme. Eine kleine Öl-Zusatzheizung dient als Backup.

Um Wärme einzusparen beziehungsweise möglichst effizient zu nutzen, hat Schmalz unter anderem folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Der IT-Serverraum in Glatten wird durch Sprinklerwasser gekühlt. Das erwärmte Wasser wird im Sprinklerbecken gespeichert, die Energie wandert per Wärmepumpe wieder in den Kreislauf.
  • Die Abwärme der Druckluftkompressoren wird ebenso wie die der Produktionshallen und Büroräume über Wärmetauscher zurückgeführt.
  • Durch eine freie Außenluftkühlung konnte die Installation von Klimaanlagen weitestgehend vermieden werden. Stattdessen werden die Gebäude vor allem nachts durch automatische Lamellen- und Dachfenster und Zuluftventilatoren gekühlt.
  • Nordlicht-Sheddächer auf Produktions- und Bürogebäuden sorgen für optimale Lichtverhältnisse bei geringer Wärmeeinstrahlung im Sommer und verringern zugleich den Bedarf an Kunstlicht. Die Südseite der Sheddächer dient als Unterkonstruktion für eine 260 kWp-Photovoltaikanlage.
  • Die Holzhackschnitzel-Heizung ist mit einem 40.000 Liter fassenden Pufferspeicher kombiniert. Hier lässt sich die erzeugte Wärme lang speichern, was die Schaltzyklen der Heizanlage reduziert und ihre Effizienz steigert.

Die Summe aller Maßnahmen zeigt die gewünschte Wirkung: Die Gesamteffizienz des knapp 14.000 Quadratmeter großen Produktions- und Logistikgebäudes liegt um 57 Prozent unter dem durch die Energieeinsparverordnung vorgegebenen Wert.

Wasser, Wind und Sonne liefern den Strom

Ähnlich das Bild bei der Strombewirtschaftung. Auch hier schöpft das Unternehmen aus dem Vollen, das die Natur in der Umgebung zu bieten hat: Die Glatt, die 1910 den Ausschlag für die Firmengründung an dieser Stelle gab, liefert noch immer Strom: durchschnittlich rund 122.000 Kilowattstunden im Jahr. Zwei Windräder in der Nähe – der Schwarzwald bietet dafür denkbar günstige Bedingungen – steuern im Jahresmittel 2,45 Millionen Kilowattstunden bei. Und die Photovoltaikanlagen, insgesamt sind 533 kW installiert, im Durchschnitt pro Jahr mehr als 500.000 Kilowattstunden.

Da das Stromangebot aus den eigenen Energiequellen nicht immer mit dem aktuellen Strombedarf übereinstimmt, speist das Unternehmen einerseits Strom ins öffentliche Netz ein und bezieht andererseits extern erzeugten Fremdstrom. Aber auch der kommt aus CO2-freien Quellen – von den bundesweit bekannten „Stromrebellen“ aus Schönau im Südschwarzwald.

Doch auch in Sachen Stromwirtschaft gilt, was Wolfgang Schmalz so ausdrückt: „Die beste Kilowattstunde ist die, die man gar nicht erst verbraucht.“ Konkret:

  • Die Bremsenergie der Regalbediengeräte im automatischen Kleinteilelager wird rückgespeist und wieder genutzt.
  • Nicht benötigte Schaltkreise werden nachts und am Wochenende abgeschaltet.
  • Die Beleuchtung in Büro- und Produktionsgebäuden wird tageslichtabhängig geregelt.
  • Für Kunstlicht kommen durchgängig energiesparende Leuchtmittel zum Einsatz.
  • Die firmenweite Drucklufterzeugung ist frequenzgeregelt und wird von einer Regelungssoftware überwacht. Dadurch wurde das Druckluftniveau um 1 bar gesenkt.

Seit 2012 ist ein Lastmanagement im Einsatz, das die Energieflüsse steuert und Stromlastspitzen ausgleicht. Kommt es zu einer Lastspitze, werden Verbraucher, die nicht dauerhaft eingeschaltet sein müssen, für mindestens fünf Minuten abgeschaltet oder in ihrer Leistung reduziert. Das spart nicht nur Strom, sondern auch zusätzliche Kosten durch die Vermeidung von Lastspitzen.

Konsequenz in der Produktion

„Als produzierendes Unternehmen“, heißt es im Schmalzschen Nachhaltigkeitsbericht, „verfolgt Schmalz das klare Ziel, die Umweltauswirkungen seiner Geschäftstätigkeit so gering wie möglich zu halten.“

Und das sieht in der Produktion so aus: Die ergänzend im Unternehmen eingesetzten Treibstoffe und Heizöl schlagen mit einer CO2-Emission von 593 Tonnen im Jahr 2012 zu Buche. Gleichzeitig hat Schmalz mit den nicht selbst verbrauchten, also eingespeisten Anteilen aus Wind- und Photovoltaik-Energie 1.870 Tonnen CO2 vermieden. Die Umweltentlastung unterm Strich: 1.277 Tonnen.

Konsequenz heißt für die Gebrüder Schmalz und ihre Mitstreiter im Unternehmen aber auch, dass die Produkte selbst umweltschonend sind. Das beginnt bei der Herstellung und der Zulieferung. So auditiert der Hersteller regelmäßig seine Lieferanten, schult und berät sie in Fragen der Ressourceneffizienz. Gleiches gilt für die Logistik. Hier setzt Schmalz zum einen auf Zulieferer aus der Region und zum anderen auf CO2-optimierte Versandwege wie etwa GoGreen von DHL.

So gelingt es, umweltschonenden Einfluss zu nehmen, noch ehe die Rohprodukte im Haus sind. Womit das Unternehmen in ein Terrain einsteigt, das wesentlich komplexer ist als die eigene Energie- und CO2-Bilanz (siehe auch „Der nächste Schritt“). Das Ziel: Alle Emissionen entlang der Wertschöpfungskette bis hin zur Entsorgung der Produkte identifizieren, quantifizieren und die Entwicklung hin zur CO2-Neutralität vorantreiben.

Energieeffizienz der Produkte

Dass seine Produkte bei ihrer Nutzung möglichst wenig Energie verbrauchen, hat Schmalz ohnehin schon immer im Blick. Für die sichere Fixierung eines Werkstücks mit Vakuum etwa ist ein Mindestvakuum-Wert erforderlich. Also hat Schmalz Vakuum-Erzeuger mit Luftsparautomatik entwickelt. Sie schalten ihre Saugfunktion ab, sobald der definierte Wert erreicht ist. Dadurch verringert sich der Energieverbrauch im Einsatz um bis zu 80 Prozent oder 730 Kilogramm CO2 pro Greifer und Betriebsjahr.

Ein weiteres Beispiel ist ein Vakuum-Hebegerät, das sogar ohne externe Energiezufuhr arbeitet. Die Hubbewegung des Kettenzugs, an dem das Gerät aufgehängt ist, sorgt zugleich für Auf- und Abbau des Vakuums. Oder die Funkfernsteuerung, die ihre Energie über den piezoelektrischen Effekt (Drücken des Ein-/Ausschaltknopfs) oder über eine integrierte Solarzelle bezieht. Dieser Effekt in Kombination mit der Möglichkeit, das Gerät in Arbeitspausen direkt am Bedienelement abzuschalten, spart bis zu 40 Prozent der sonst erforderlichen Energie.

In jüngster Zeit hat Schmalz begonnen, seine Produkte möglichst einfach recyclingfähig zu machen. Dies vor allem durch die Trennbarkeit der verschiedenen Materialien. So lässt sich zum Beispiel bei bestimmten Sauggreifern das Verschleißteil aus Elastomer problemlos vom Anschlussteil aus Aluminium trennen. Damit ist nicht nur eine fachgerechte Entsorgung möglich, sondern auch der ressourcensparende Betrieb des Geräts, weil das Anschlussteil weiter verwendet werden kann.

Antriebskraft: Vernunft

Warum sie diesen Weg eingeschlagen haben und mit schwäbischer Beharrlichkeit weiter gehen? Darauf haben Kurt und Wolfgang Schmalz eine einfache Antwort: „Wir sind hier am Standort verwurzelt. Und als Unternehmer haben wir eine große Verantwortung für das Gemeinwohl. Wir wollen das Unternehmen und unsere Umwelt gesund weiter geben.“

Dahinter stecke ein klarer Wirtschaftlichkeitsgedanke, erklärt Wolfgang Schmalz: „Wir setzen nichts um, was sich nicht rechnet. Aber der Energieverbrauch und die gesamten Lebenszykluskosten nehmen immer größeren Raum ein.“ Da sei es schlicht vernünftig, nach Lösungen zu suchen, diese Entwicklung in sinnvolle Bahnen zu lenken. „Schmalz steht im internationalen Wettbewerb. 50 Prozent unserer Wertschöpfung betreiben wir im Ausland. Natürlich führen wir nur Maßnahmen durch, die unsere Wettbewerbssituation verbessern. Dazu gehört logischerweise auch, dass der Kunde einen wirtschaftlichen Vorteil hat. Und den können wir mit unseren energieeffizienten Produkten liefern.“

„Wir wollen den Beweis antreten, dass die drei Säulen Wirtschaftlichkeit, ökologisches und soziales Handeln unter einen Hut zu bringen sind. Diesen Beweis haben wir zumindest für uns erbracht. Als produzierendes Unternehmen im Maschinenbau versorgen wir uns mühelos mit regenerativer Energie – wir haben einen niedrigeren Energieverbrauch als vergleichbare Unternehmen und natürlich auch niedrigere Kosten.“

Übrigens: Derzeit entsteht auf dem Betriebsgelände in Glatten ein neues Firmengebäude. Aus der Kantine wird ein „Betriebsrestaurant“. Und die Gebrüder Schmalz bleiben sich treu. „Künftig werden wir, wo immer möglich, Lebensmittel aus regionaler Herkunft verarbeiten. Die werden dann bei uns nicht tiefgefroren angeliefert, sondern frisch zubereitet.“

 

Der nächste Schritt

Die von der J. Schmalz GmbH vorgelegte CO2-Bilanz basiert auf dem Greenhouse Gas Protocol des Weltressourceninstituts und des Weltwirtschaftsrats für nachhaltige Entwicklung. Die dort definierten Bilanzgrenzen sind in drei Geltungsbereiche (Scopes) unterteilt:

  • Scope 1 erfasst alle direkten Emissionen im Unternehmen.
  • Scope 2 erfasst die Emissionen zugekaufter Energie.
  • Scope 3 erfasst alle anderen Emissionen, die entlang der Wertschöpfungskette verursacht werden – einschließlich der Nutzungsphase und Entsorgung von Produkten.

In der derzeit vorgelegten CO2-Bilanz von Schmalz sind alle Faktoren nach Scope 1 und 2 berücksichtigt. Der nächste, weit komplexere und schwierigere Schritt – die Erweiterung der Bilanzgrenzen um Scope 3 – ist bereits in Arbeit. Er soll in naher Zukunft umgesetzt werden.

 

Energiebilanz

In den Jahren 2008 bis 2012 hat Schmalz aus regenerativen Quellen 20.853.992 Kilowattstunden Energie erzeugt. Im gleichen Zeitraum hat das Unternehmen 20.554.114 Kilowattstunden Energie verbraucht. Der Überschuss an selbst erzeugter Energie beträgt 299.878 Kilowattstunden. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 50 Prozent.