Bitte weitergehen – so funktionieren digitale Kauferlebnisse

Die E-Commerce-Branche hat in den vergangenen Jahren gelernt, wie ein Onlineshop technisch zu funktionieren hat. Jetzt diktiert der wachsende Wettbewerbsdruck neue Lerninhalte. Künftig geht es darum, wie der Mensch funktioniert, der einen Shop besucht. Digitale Kauferlebnisse sind gefragt. Und  Markenpflege.

Onlineshops von der Stange dürfen ab sofort getrost wieder zurückgehängt werden. Sie sind „outdated“ – es sei denn, der Shop positioniert sich als Billigformat und verkauft nur über den Preis. Wer das nicht will, für den führt kein Weg dran vorbei, die nächste Entwicklungsstufe des E-Commerce mit zu erklimmen: Der Onlineshop wird zum digitalen Flagshipstore, der die Menschen emotional auf die Marke einschwört, seine zentrale Funktion ist die Inszenierung der Produkte und der Marke. Denn nur dann stärkt er die Marke, formt deren Image – im Übrigen wesentlich kostengünstiger als klassische Werbekampagnen – und befruchtet alle Vertriebskanäle.

Dass diese Entwicklung ebenso logisch wie zwangsläufig ist, zeigt ein Blick auf den stationären Handel. Dort ist es für Anbieter längst ein Muss, sich stationär so zu inszenieren, wie es der Positionierung ihrer Marke entspricht. Dass Marketingverantwortliche diese Art des Marktauftritts jetzt auch auf ihre Onlineshops zu übertragen beginnen, ist nur konsequent.

Und führt direkt zum Multichannel-Ansatz: Die Conversion Rate eines Onlineshops von morgen muss sich nicht in erster Linie daran messen lassen, wie viele Besucher zu Online-Käufern werden. Vielmehr muss der Onlineshop die Schnittstelle sein, an der die Trennung zwischen den verschiedenen Kanälen aufgehoben wird. Der digitale Auftritt muss die Marke und damit das gesamte Geschäft stärken.

Hinzu kommt der vielzitierte Wettbewerbsdruck: Löst sich die Konkurrenz vom trocken technischen Auftritt und spricht ihre Kunden gezielt emotional an, schafft sie damit eine neue Qualität des Onlineshopping – und generiert eine neue Erwartungshaltung beim Verbraucher.

Der Trend hat bereits begonnen, und er wird sich wie immer in der digitalen Welt sehr rasch verbreiten. Denn der Kunde lernt schnell – und klickt auf Dauer nur noch die Shops an, die klare Strukturen und durchdachte Funktionalität mit angenehmer Einkaufs-Atmosphäre und Kauferlebnissen verbinden.

Spielwiese für Kreative

Für Shopdesigner tut sich damit eine große Spielwiese auf – allerdings eine, auf der es, siehe oben, eben nicht mehr mit Lösungen von der Stange getan ist. Shopbetreiber und Kreative, die digitale Kauferlebnisse verwirklichen wollen, werden künftig mehrere Disziplinen beherrschen und zu einem stimmigen Ganzen zusammenführen müssen: Online-Verhaltenspsychologie und sichere Bedienerführung sind ebenso gefragt wie betriebswirtschaftliches Denken und Marketing-Knowhow. Nicht zu vergessen Kreativität und die Fähigkeit, gerade auch Ideen jenseits des Mainstream in ein funktionales Shopdesign zu gießen.

Noch allerdings ist die Realität der meisten Onlineshops weit davon entfernt, diese Disziplinen aufblitzen zu lassen und mit stationären Flagshipstores gleichzuziehen, meint Tim Böker. Er ist Experte für Online User Experience Design und Geschäftsführer des auf E-Commerce spezialisierten Design-Unternehmens „Kommerz“. Sein Urteil: „Wer die Inszenierungen beispielsweise in den Flagshipstores von Esprit kennt und dann den Onlineshop der Marke besucht, könnte glauben, er habe sich verirrt.“

Während offline warme Farben vorherrschen und die emotionale Ansprache des Kunden zur Hochform stilisiert wird, herrscht online Eisschrank-Atmosphäre. Offline wie zufällig an die Wand gepinnte Schnappschüsse von Menschen, die mit der Kamera flirten – online unpersönlich-coole Profi-Models ohne jeglichen optischen Kontext.

Offline sympathische Unordnung und ein per Hand beschriftetes, schief hängendes Schild mit der Botschaft „If you feel good, you look good!“ – online akkurat aneinandergefügte Kästchenbilder auf nüchtern weißem Grund. „Das ist ein Paradebeispiel für eine Marke, die sich zwei völlig unterschiedliche Auftritte leistet. Wiedererkennung, Online-Inszenierung? Vergiss es.“

Dabei ist Esprit nur ein Beispiel, das für den Großteil der Shops steht. Eigentlich sei es ein absolutes `NoGo´, was sich heute in den meisten Marken-Onlineshops an die Öffentlichkeit traut: Gleichförmigkeit auf breiter Front, ein geradezu erschreckender Mangel an Ideen und Kreativität, kühles Technokraten-Layout statt emotionaler Anziehungskraft – von Markenpflege ganz zu schweigen.

Status quo: Kästchendesign

Das beginnt meist schon bei der Startseite: ein großformatiges Bild, wahlweise über die ganze Contentbreite oder noch mit Platz für eine Seitenleiste, ein paar Kästchen drunter, eine Leiste oben und gegebenenfalls eine weitere seitlich. Für „Dynamik“ sorgt allenfalls noch ein freihändig eingestreuter Textbaustein. Fertig. Der rote Faden heißt Langeweile.

Gelegentlich – und wenn ein farblich und in der Anmutung passendes Aufmacherfoto zur Verfügung stand – spiegelt die Startseite noch einigermaßen das stationäre Erscheinungsbild der Marke. Einen Klick weiter allerdings ist es meist schon vorbei mit der schönen Markenwelt: Wenig erkennbares Nutzen der Markenkraft, kein Wiedererkennen der teuren Plakat- und Fernsehwerbung, von klarer Markeninszenierung ganz zu schweigen.

Dem aufmerksamen Beobachter drängt sich der Verdacht auf, hier wird allzu häufig schlicht kopiert nach dem Motto: Zalando funktioniert, also machen wir einen Onlineshop nach dem gleichen Muster, nur mit unserem Logo. Dass man damit zwangsläufig seine eigene Marke verwässert –  eigentlich logisch.

Dass es auch anders geht, zeigt zum Beispiel Burberry: Hier verschmilzt die aufwändig inszenierte Welt der stationären Stores mit der digitalen Welt. Und das nicht nur optisch – hier wird Multichanneling gelebt und zum Nutzen der Marke umgesetzt. Hier werden Geschichten erzählt und großformatige Videosequenzen eingeblendet, das Look and Feel der Flagshipstores in den Metropolen dieser Welt – hier findet es sich wieder. Die Kunden erleben die Marke – und sie fühlen sich emotional angesprochen.

Online-Auftritt als Content Cloud

Fakt ist: Wer den Multichannel-Ansatz konsequent fahren will, wird nicht umhin kommen, die Basis-Inhalte online verfügbar zu machen. Im Grunde geht es bei der Verknüpfung von On- und Offline darum, den Online-Auftritt als Content Cloud zu nutzen, aus der sich die Offline-Stores bedienen – mit Optik, Inhalten und Services.

Stimmt die Markeninszenierung in der Cloud, wird daraus auf den Bildschirmen im stationären Shop eine perfekte Multichannel-Produktinszenierung. Gleiches gilt, wenn eine Marke irgendwo auf der Welt einen neuen Flagshipstore eröffnet, eine Modenschau oder ein anderes Live-Event inszeniert. Was liegt näher, als dieses Event in allen Shops live auf die Instore-Screens zu übertragen? So lässt sich die eine Inszenierung in Tokio oder Shanghai auch in London, Hamburg oder New York zur Imagepflege nutzen.

Natürlich lässt sich auch der Service mit einem guten Multichannel-Ansatz optimieren – und erst dann wird aus dem Marken- ein gutes Kauferlebnis. Sucht ein Kunde beispielsweise am Samstag im proppevollen Store nach einem bestimmten Produkt und findet das nicht in den Regalen, braucht er nicht zu warten, bis ein Verkäufer frei ist. Er sucht einfach auf dem Online-Terminal im Store oder auf dem Smartphone. Ist der Onlineshop gut gepflegt, wird er es nicht nur finden, sondern auch gleich erfahren, ob das gute Stück in diesem Shop am Lager ist. Falls ja, lohnt sich das Warten. Falls nein, kann er es sofort bestellen oder reservieren und in den Shop seiner Wahl – oder nach Hause – liefern lassen. So muss Multichannel-Service funktionieren.

Marke spielen, Nutzerführung optimieren, Informationstiefe bieten

Damit sind die wesentlichen Herausforderung für Online-Markendesigner umrissen: Sie müssen zuallererst eine angenehme Kaufatmosphäre schaffen. Das geschieht über digitale Attraktionen, die den Kunden emotional ansprechen und die Marke überzeugend ins rechte Licht rücken. Der Onlineshop muss eine Umgebung bieten, in der er sich sofort wohlfühlt und die er intuitiv erforschen kann. Dass da rational geprägte Erfahrungen eher stören, liegt auf der Hand. Wer denkt, blockiert seine Gefühlswelt. Auch deshalb muss die Nutzerführung hundertprozentig stimmen, und dem Besucher die Navigation so einfach und intuitiv wie möglich machen.

Gefragt sind Unterhaltung und Spaß, Appetitanreger, Kaufanreize und Mehrwert. Erlebniswelten, die die Alleinstellungsmerkmale der Marke sympathisch und klar vermitteln.

Im zweiten Schritt ist eine hohe Informationstiefe gefragt. Hat sich der Kunde zu einer Produktkategorie oder bereits zu einem Produkt durchgeklickt, findet er idealer Weise online alles, was er für eine Kaufentscheidung braucht. Egal, ob er dann online oder offline kauft. Multichannel eben.

Dies führt dazu, dass sich die Verzahnung zwischen Online und Offline in möglichst vielen Details und Mehrwert-Erlebnissen niederschlagen sollte. Das Ganze muss schließlich auf alle Kunden-Touchpoints hin optimiert funktionieren und erkennbar aus einem Guss sein: stationär, für den Desktop-PC, für Laptop, Tablet, Smartphone und welches Device in Zukunft sonst noch hinzukommen mag.

Die vielzitierte USP wird zur UEP – zur Unique Experience Proposition. Will sagen: Der Kunde bekommt immer Impulse geliefert, die ihn in genau die Gefühlslage versetzen, die er mit der Marke in Verbindung bringen soll. Kurz: Weniger Technik – mehr Erlebnis.

Damit diese Botschaft direkt, intensiv und ungefiltert wirkt, muss alles passen: Design, Emotion, Nutzerführung, Informationstiefe, Service. Man denke nur daran, wie man sich fühlt, wenn in einem Mega-Konzert mit stimmiger Lichtinszenierung plötzlich die Lightshow oder das Mikro des Sängers ausfällt. Das ganzheitliche Erlebnis ist futsch. So auch im Onlineshop: Alles muss reibungslos funktionieren, die Links müssen sitzen, da darf nichts ruckeln, und der Kunde sollte Ladezeiten am besten überhaupt nicht wahrnehmen.

Starke Marken gewinnen

Tim Böker: „Onlineshops können von anderen Websites und Social Networks noch viel in Sachen Nutzerführung und Microinteraction, also der kreativen, sorgfältigen und liebevollen Ausgestaltung von Details, lernen.“

Die nachfolgend genannten Beispiele sind noch keine makellose Musterbeispiele dafür, was Online-Markendesign kann und soll. Aber sie zeigen, in welche Richtung das Ganze geht – und dass die ersten Anbieter längst dorthin unterwegs sind.

Wozu das alles? Die Entwicklung des stationären Handels in den vergangenen 20 Jahren zeigt: In Zeiten von Überangebot und Verdrängungswettbewerb gewinnen starke Marken. Wie Online-Handel funktioniert, hat die Branche und haben die Kunden gelernt. Technik und Funktionalität sind selbstverständlich geworden. „Jetzt gilt es, die im stationären Umfeld gelernten Markeninszenierungen in die Onlinewelt zu übertragen. Und zwar rasch, denn die Digitalisierung ist der Turbo für unseren Alltag, und sie diktiert mehr und mehr die Rahmenbedingungen des Handels.“

Die Gestaltungs-Ebenen

Wer digitale Kauferlebnisse schaffen will, muss viele Details im Blick – und im Griff – haben. Und er muss vom Kunden aus denken und handeln. Hilfreich ist es dabei, sich an den unten genannten vier Design-Ebenen zu orientieren. Jede Ebene muss für sich stimmig sein und einer kritischen Prüfung standhalten. Und natürlich müssen die auf diesen Ebenen angesiedelten Elemente harmonisch aufeinander abgestimmt sein, um dem Besucher das angestrebte ganzheitliche Erlebnis zu bieten.

1. Interaction Design
Wie auf sonstigen Websites oder anderen digitalen User Interfaces geht es hier darum, die Interaktion zwischen dem Besucher und dem technischen System zu gestalten. In jedem Fall und mehr noch im Onlineshop gilt: Der Besucher hat ein bestimmtes Ziel – er will zum Beispiel ein konkretes Produkt finden, sucht Inspiration oder kommt mit dem Wunsch, seine digitale Shopping-Tour mit der Bestellung eines oder mehrerer Produkte abzuschließen. Zunächst gilt es, die verschiedenen Erwartungshaltungen des potenziellen Käufers zu definieren.

–    Das Interaction Design muss ihn bei der Erfüllung seiner Wünsche unterstützen. In  einem markenzentrierten Onlineshop muss es darüber hinaus die Sprache der Marke in Bild und Text annehmen. Die Marke muss im Dialog mit dem Kunden spürbar sein.

–    Markenkonforme Microinteractions bieten Differenzierungschancen. Hier kann die eCommerce-Branche noch von anderen digitalen Playern wie Google lernen.

–    Situativ gestalten. Die zentrale Aufgabe für den Shop-Designer macht sich an folgender Frage fest: Wie würde sich ein Kundenberater der Marke im stationären Shop in diesem Moment verhalten?

–    Menschliche Kommunikationsformen integrieren beziehungsweise imitieren. Beispiel: Viele Shops signalisieren etwa bei der Größenauswahl „Fehlermeldung“. Ein menschlicher Berater würde in einem Verkaufsgespräch nie den Finger erheben und seinem Kunden sagen, er habe einen Fehler gemacht.

–    Features im Sinn der Marke individualisieren. Heute wird allzu häufig die immer gleiche Vorlage abgerufen mit dem fragwürdigen Argument, in einem Onlineshop müsse das so sein.

–    Interaktionsdetails mit Emotionalität und Erlebnisreichtum aufladen.

–    Weniger Technik. Idealerweise nimmt der Kunde das technische System nicht wahr – er sinkt vielmehr in eine Markenwelt ein.

–    Responsive Design. Hierin steckt eine weitere zentrale Herausforderung: Wie verhält sich die Interaktion über alle Endgeräte hinweg? Aktuell hat nur eine Minderheit der Shops im deutschsprachigen Internet überzeugendes Responsive Design realisiert.

–    Aha-Erlebnisse verstärken das Gesamterlebnis. Als Marke sollte man immer eine positive Überraschung für den Nutzer bereithalten.

2. Information Design
Nicht nur die Interaktion muss intuitiv ablaufen und eine markenkonforme Umgebung schaffen. Auch die Informationen, die ein Shop zu bieten hat, müssen strukturiert für den Nutzer adäquat aufbereitet und dargestellt sein. Viele Onlineshops neigen dazu, den verfügbaren Platz mit einer maximalen Anzahl von Funktionen zu überladen. Hier hilft es, sich bewusst zu machen, weshalb der Kunde da ist: Er will die Marke erforschen, für ihn geeignete Produkte entdecken und diese gegebenenfalls bestellen und kaufen. Ein mit Navigationsfunktionen überladener Bildschirm verwirrt da eher und stört das ganzheitliche Erlebnis. Ein typischer Fehler: In der Mehrheit aller Fashion-Shops nimmt die Produktdarstellung auf einer Artikeldetailseite häufig nur etwa ein Drittel der Bildschirmbreite ein.

–    Neue Marken und Produkt konforme Wege finden, wie man mit großen Daten- und Produktmengen umgehen kann. Bemerkenswert: Alle Branchen präsentieren sich in dieser Hinsicht im eCommerce sehr ähnlich, obwohl unterschiedliche Produkte unterschiedliche Kaufentscheidungswege bedingen.

–    Individualisierung ist Trumpf. Die digitalen Möglichkeiten wirklich ausschöpfen, zum Beispiel: alternative Produktansichten anbieten oder Navigationswege nur bei Bedarf anzeigen.

–    Texte für den Nutzer konzipieren. Es ist inzwischen eine Unsitte, Textinformationen an den Anforderungen von Google & Co. auszurichten. Die Aufgabe: Wie lassen sich Texte nutzerfreundlich gestalten, ohne die Suchmaschinen zu enttäuschen.

–    Die richtige Balance zwischen Standardisierung und Kreativität finden. Klar ist: Der Nutzer braucht die Sicherheit einer gewohnten Benutzerführung. Das wird aber allzu oft als Argument genommen, nichts Neues auszuprobieren, nur zu kopieren und nach Schema F zu arbeiten. Der Mut, neue Wege zu gehen, darf nicht vorschnell der Nutzergewohnheit geopfert werden. Die meisten Kunden sind heute keine digitalen Neulinge mehr, sie finden sich sehr wohl zurecht, auch wenn der Shop nicht höchst standardisiert ist. Erlebnis heißt auch Überraschung.

–    Stationäre Inszenierungstechniken in den digitalen Kanal übersetzen. Produkte werden stärker emotional aufgeladen, wenn sie nicht nur in tabellarischer Anordnung angeboten werden.

–    Produkte in Gesamtzusammenhang stellen und dem Kunden dadurch einen Mehrwert bieten. Zum Beispiel: Alles für den Frühjahrsputz, für den Skiurlaub, für den Abend in der Oper…

3. Visual Design
Hier geht es um die Gestaltung der konkreten visuellen Oberfläche. Oberstes Gebot für einen Markenshop ist es dabei, das Corporate Design in den Mittelpunkt zu stellen.

–    Marken-Elemente spielen. Sie sollten aus anderen Medien so stimmig wie möglich in die digitale Welt übertragen werden. Die Marke muss erkennbar und als Unikat erscheinen.

–    Der erste Eindruck zählt. Ihn sollte man positiv beeinflussen und darauf aufbauend ein schlüssiges Gesamtbild erzeugen.

–    Die Heterogenität der Kundendisplays und ihre jeweiligen Einstellungen berücksichtigen.

–    Informationsdarreichung und Interaktionen unterstützen und den Kunden gezielt durch optische Signale lenken.

–    Den Wow-Effekt suchen. Die ästhetische Komponente eines Erlebnisses in den Mittelpunkt stellen und Eigenheit entwickeln.

–    Apples ehemaliger Skeuomorphismus scheint heute überholt. Wo bleiben die schlüssigen Ansätze im E-Commerce?

–    Erlebnis statt Technik. Nur weil es digital ist, heißt das noch lange nicht, dass es technisch aussehen muss.

4. Service Design
In seiner ursprünglichen Bedeutung war Service Design die Gestaltung von Dienstleistungen. Übertragen auf den Onlineshop heißt, das der gesamte Shop und vor allem der Bestellprozess ist Service, der bewusst gestaltet werden muss.

–    Den Gesamtprozess im Blick haben. Wann braucht der Kunde was an welcher Stelle? Welche Features sind für ihn und das Produkt überhaupt sinnvoll?

–    Ganzheitlich von A bis Z. Der komplette Serviceprozess eines Shops muss aus einem Guss gestaltet sein – von der Begrüßungsseite, bis die Ware beim Kunden ankommt, er sie auspackt, testet, behält oder gegebenenfalls zurückschickt.

–    Service Design ist ein hochkomplexer Prozess. Richtig umgesetzt, bietet diese Disziplin die Chance, markentypische Besonderheiten zu integrieren und eine menschlichere Atmosphäre zu schaffen.

Energiewende von unten

Die Energie der Zukunft wird dort gewonnen, wo sie verbraucht wird. Eine Vision, die schon heute für einige Privathaushalte und mittelständische Unternehmen Realität geworden ist. Mit kleinen, dezentralen Produktionseinheiten für Solarstrom, Energiespeichern und einem Batterie-Managementsystem können sie sich weitgehend vom öffentlichen Netz und den stetig steigenden Strompreisen abkoppeln. Erste Anlagen zur Eigenversorgung belegen: Es funktioniert.

Während die Energiewende in Deutschland öffentlich zerredet wird, nehmen immer mehr Verbraucher ihre Stromversorgung selbst in die Hand. Sie verbinden damit zwei Ziele: ihr selbst erzeugter Solarstrom ist umweltfreundlich, und er bringt ihnen handfeste finanzielle Vorteile. Denn mit einem Invest von weniger als 25.000 Euro lässt sich ein Einfamilienhaus mit Büro und Elektrofahrzeug komplett mit selbst produziertem Solarstrom versorgen – und der Strompreis für rund 25 Jahre auf dem heutigen Niveau festschreiben. Die ersten Systeme laufen bereits, und ihr Ertrag zeigt: die Rechnung geht auf.

Das Problem: Unausgeglichener Lastgang

Die Eigenversorgung von Privathäusern, Wohnungen oder ganzer Unternehmen mit Solarstrom scheiterte bislang zum einen an der Speicherung der gewonnenen Energie. Zum anderen steht der unausgeglichene Lastgang starr installierter Photovoltaik-Anlagen dem angestrebten Ideal entgegen, die gewonnene Solarenergie sofort zu nutzen. Beide Problemstellungen lassen sich mit nachgeführten Photovoltaik-Anlagen elegant lösen. Denn sowohl für die effiziente Speicherung als auch für den direkten Verbrauch ist ein ausgeglichener Lastgang – sprich: die gleichmäßige Produktion von Solarenergie den ganzen Tag über – erforderlich.

Zur Erklärung: Starr installierte PV-Anlagen haben um die Mittagszeit ihre Produktionsspitze, produzieren aber davor und danach relativ wenig Energie. Das bedeutet: Morgens und abends, wenn ein normaler Haushalt besonders viel Strom benötigt, liefern starre Systeme in der Regel nicht ausreichend Energie. Dies ist bei nachgeführten Anlagen wie etwa den MLD-Nachführsystemen von DEGER anders (MLD steht für Maximum Light Detection): Sie stellen üblicherweise auch zu diesen Tageszeiten genügend Solarenergie zum Direktverbrauch zur Verfügung.

Zweiter wesentlicher Faktor beim Betrieb eines Systems zur Eigenversorgung sind die Stromspeicher. Sie versorgen den Verbraucher mit Energie, wenn die Photovoltaik-Module keinen oder zu wenig Strom liefern.

Nachführung schont Stromspeicher

Auch bei der Speicherung bieten nachgeführte Systeme einen entscheidenden Vorteil. Denn die als Energiepuffer eingesetzten Batterien lassen sich mit gleichmäßigen Einspeisemengen wesentlich schonender aufladen als mit kurzen hohen Spannungsspitzen, wie sie für starre Systeme typisch sind. Dadurch kommt das System mit weniger Batteriekapazität aus – und die Lebensdauer der Stromspeicher verlängert sich signifikant. Als Faustregel gilt: MLD-Nachführung spart rund 30 Prozent Batteriekapazität.

Hinzu kommt der bereits beschriebene Effekt: Während die Sonne am Himmel steht – das gilt im Übrigen auch für Tage mit bedecktem Himmel – liefern nachgeführte Systeme in der Regel ausreichend Energie für den Direktverbrauch. Die Batterien kommen zu diesen Zeiten also nicht zum Einsatz. Beides wirkt sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems aus.

Überschuss sinnvoll nutzen

Mit dem Batterie-Managementsystem kann der Nutzer die Anlage zur Eigenversorgung nach seinen individuellen Wünschen und Rahmenbedingungen steuern. Zunächst wird der Solarstrom, der nicht direkt verbraucht wird, in die Stromspeicher geleitet. Sind die Batterien voll, kann die überschüssige Energie entweder ins Netz eingespeist oder einem anderen Verwendungszweck zugeführt werden – der Aufbereitung von Brauchwasser oder der Versorgung einer Heizungsanlage etwa. Ein Überschuss-Manager im Verteilerkasten steuert auch das ganz nach Bedarf beziehungsweise Priorität des Nutzers.

Davon ausgehend, dass in der Regel noch ein Anschluss an das öffentliche Stromnetz besteht, wird das Batterie-Management beispielsweise so eingestellt, dass die Batterien maximal zu 50 Prozent entleert werden. Ist dieser Minimalwert erreicht, ohne dass aktuell direkt produzierte Solarenergie verfügbar ist, bezieht die Anlage automatisch Strom aus dem Netz. Der Batteriepuffer lässt sich höher oder niedriger stellen. Die 50 Prozent machen Sinn vor dem Hintergrund, dass die Anlage bei Ausfall der öffentlichen Netze den Haushalt oder das Unternehmen auch dann mit Strom versorgen soll, wenn keine direkte Sonnenenergie verfügbar ist.

Der Weg zur autarken Energieversorgung

Wer sich für eine Anlage zur Eigenversorgung entscheidet, will in der Regel nicht Strom produzieren, um ihn ins Netz einzuspeisen und von der Einspeisevergütung zu profitieren. Umso mehr, als die Tage hoher Einspeisevergütungen gezählt sind – ein Trend, der längst weltweit eingesetzt hat. Sie werden in Deutschland in absehbarer Zeit unter 10 Cent pro Kilowattstunde sinken, die Gestehungskosten für Solarstrom mit nachgeführten Systemen liegen schon heute bei etwa 10 Cent pro Kilowattstunde.

Die Richtung ist klar: Den Nutzern solcher Anlagen geht es vor allem darum, sich von den öffentlichen Netzen und den steigenden Energiepreisen unabhängig zu machen. Vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen, die nicht von den attraktiven Großkundentarifen der Energieversorger profitieren, kann die autarke Stromversorgung letztlich eine Frage der Zukunftssicherung sein. Sie können ihre Energiekosten langfristig solide kalkulieren – und dauerhaft auf dem heutigen Niveau festschreiben. Das heißt: Ihre Wettbewerbsfähigkeit steigt mit jeder Preiserhöhung der öffentlichen Energieversorger.

Keine Zweifel bestehen daran, dass die Strompreise das derzeitige Niveau nicht halten werden. So prognostiziert das Karlsruher Institut für Technologie in einem Gutachten von Mitte Mai 2012, dass die Strompreise in Deutschland bis zum Jahr 2025 um 70 Prozent steigen werden. Ein Wert übrigens, der für Großkunden gilt. Für Privathaushalte und kleinere Unternehmen dürften die Preise noch stärker steigen.

Positive Energiebilanz

Inzwischen liegen belastbare Ertrags- und Verbrauchsmessungen des seit Herbst 2011 laufenden Testsystems von DEGER und weiterer seither installierter Systeme vor. Sie zeigen: 22 Quadratmeter nachgeführte Solarmodulfläche decken den Eigenbedarf eines Einfamilienhauses mit angeschlossenem Büro und zwei Elektrofahrzeugen zu rund 115 Prozent ab.

Konkret: In den ersten fünf Monaten des Jahres 2012 produzierte das Testsystem rund 3.000 Kilowattstunden Solarstrom. Der Stromverbrauch des angeschlossenen Haushalts mit Büro und Elektrofahrzeugen bezifferte sich im gleichen Zeitraum auf rund 2.600 kWh.

Die positive Energiebilanz zeigt sich auch am Verhältnis von Netzbezug und Netzeinspeisung: Von Januar bis Mai wurden rund 610 kWh aus dem Netz bezogen. Eingespeist wurden in der gleichen Zeit rund 930 kWh.

Installiert sind in der Testanlage 18 Module vom Typ Sanyo 240 mit einer Gesamtleistung von 4.320 Watt peak. Sie lieferten im ersten vollen Kalenderjahr nach Inbetriebnahme stolze 7.525 Kilowattstunden Solarstrom – ein sensationelles Ergebnis, das selbst die Erwartungen von DEGER deutlich übertrifft. Sicher ist ein Teil davon wohl auch dem Standort zu verdanken: Das System hat freie Sicht vom östlichen bis zum westlichen Horizont. Und es ist in dieser Region sehr selten neblig. Damit liefert die Anlage nicht nur genügend Solarstrom für den Eigenverbrauch, sie unterstützt auch die Warmwasseraufbereitung des Hauses in durchaus nennenswertem Umfang.

Bemerkenswertes Detail: Die zwei Elektroautos brachten es im Zeitraum der ersten Messungen auf eine Gesamtlaufleistung von rund 6.000 Kilometern. Dafür verbrauchten sie rund 900 kWh Strom im Einkaufswert von rund 200 Euro. Rechnet man diese verbrauchte Energie aus der Bilanz heraus, hätte während der gesamten Messdauer kein Strom bezogen werden müssen. Zugleich aber wurden mit den Autos rund 400 Liter Benzin gespart, die bei den aktuellen Preisen mit mehr als 600 Euro zu Buche geschlagen hätten.

Ein funktionsfähiges Komplettsystem zur Eigenversorgung kostet inklusive Installation weniger als 25.000 Euro. Auf dieser Basis können die Nutzer ihren Strompreis für die nächsten 25 Jahre auf das jetzige Niveau festschreiben. In diese Kalkulation sind sämtliche Kosten eingerechnet – von der Anlage selbst über die Finanzierungskosten bis hin zu Wartung und Instandhaltung inklusive Kosten für Ersatzteile über die Dauer von 25 Jahren.

 

Weckruf nach Berlin

Die deutsche Solarbranche droht den Anschluss an die Weltmärkte zu verlieren. Die Politik muss umsteuern. Dies ist die zentrale Botschaft aus dem ersten Solarbranchentag Baden-Württemberg.

Franz Untersteller mochte nicht um den heißen Brei herumreden. „Der Photovoltaikbranche im Land geht es derzeit nicht gut“, konstatierte der grüne Umweltminister des Landes Baden-Württemberg,. „Das lässt sich nicht schön reden. Umso wichtiger ist es, dass das EEG korrigiert wird.“ Zumindest der Degressionsmechanismus und die Regelung zur Eigenverbrauchsbeteiligung müssten angepasst werden, um die festgelegten Ausbauziele zu erreichen.

Mit dieser Forderung an die Adresse von Bundeswirtschaftsminister Gabriel fand sich Untersteller auf dem ersten Solarbranchentag Baden-Württemberg am 2. November in Stuttgart in guter Gesellschaft. Fast alle Branchenvertreter waren sich einig: Die nächste Novellierung des EEG muss mehr als nur nachjustieren. Die Politik müsse wieder Rahmenbedingungen schaffen, die der Nachfrage in Deutschland neuen Schwung geben, so der Tenor.

Schlüsseltechnologie für Jahrzehnte

Dabei gehe es um weit mehr als nur die Binnennachfrage, erklärte Dieter Manz, Vorstandsvorsitzender des Maschinenbauers Manz AG und 1. Vorsitzender des Solar Cluster BW, dem Veranstalter des Branchentags. „Es geht um die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in einer Schlüsseltechnologie für die nächsten Jahrzehnte. Wir haben viel Geld und Knowhow in die Entwicklung der Photovoltaik-Systeme investiert und mit dieser Pionierarbeit die Grundlagen für einen globalen Megatrend gelegt. Jetzt laufen wir Gefahr, den Anschluss zu verlieren.“

Und er unterstrich dies mit Zahlen. Die globale PV-Branche wachse seit rund 20 Jahren um durchschnittlich 50 Prozent jährlich. „Photovoltaik lohnt sich längst auch ohne Förderung.“ Weltweit würden in 2015 Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 55 Gigawatt peak installiert, im Jahr 2020 wahrscheinlich mehr als 100 Gigawatt, so Manz. „Das globale Potenzial ist riesig. Der Markt entwickelt sich rasant, nur nicht bei uns. Wenn wir jetzt aussteigen, ist das Wahnsinn.“

Um aber an diesem boomenden Markt dauerhaft zu partizipieren, „brauchen wir einen vitalen Heimatmarkt. Wie wollen wir unsere Maschinen an Investoren im Ausland verkaufen, wenn wir sie selbst nicht einsetzen.“ Er habe in Deutschland die letzte Maschine im Jahr 2010 verkauft.

Noch wird laut Dieter Manz etwa jedes zweite Solarmodul weltweit auf deutschen Maschinen hergestellt. „Die Zusammenarbeit zwischen Zell- und Modulherstellern, Forschungseinrichtungen und den Maschinenbauern war ein weltweit einzigartiges Erfolgsmodell. Wenn aber die Produktion als Element der Wertschöpfungskette fehlt, dann wird sich das rächen.“ Spätestens Ende 2016 müssten weltweit neue Produktionsstätten gebaut werden. „Die Frage ist: Sind wir dabei oder bauen die Chinesen ihre Fabriken selbst.“

Er hoffe sehr, „dass wir nicht die gleichen Fehler bei den Speichern machen. „Wir reden zurzeit über Speicher nur mit Chinesen und Amerikanern. Das kann nicht gutgehen.“

Rahmenbedingungen verbessern

Die Rahmenbedingungen in Deutschland müssten dringend verbessert werden. „Und wir müssen uns trauen, industriepolitische Maßnahmen zu ergreifen.“

Die damit in den Raum gestellte Option von Schutzzöllen oder anderen Abschottungs-Mechanismen hingegen ist nach den Worten von Matthias Machnig, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, wenig hilfreich. „Wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen mit China, wir müssen erreichen, dass sie sich WTO-konform verhalten, das ist klar. Aber dass wir als eine der größten Exportnationen Handelsbeschränkungen welcher Art auch immer beschließen, ist kontraproduktiv.“

Der globale Energiemarkt befinde sich am Beginn eines massiven Umbruchs. Und Deutschland stehe nach wie vor an der Spitze der Entwicklung. „Energie aus herkömmlichen Quellen wird immer teurer, die aus erneuerbaren Quellen immer günstiger. Künftig wird der Energie- und Ressourcen-effizienteste Standort am besten im Wettbewerb bestehen.“ Im Übrigen sei klimaverträgliches Wirtschaften schon heute ein Wettbewerbsvorteil. Deutschland könne doppelt profitieren, „indem wir uns zugleich auch von den Energiemärkten entkoppeln.“

Enormes Innovationspotenzial

Inzwischen, so Matthias Machnig, sei die Frage nicht mehr, wie sich die erneuerbaren Energien in die alten Systeme integrieren ließen. „Heute ist unser Thema, wie wir die fossilen Energieträger in die Erneuerbaren integrieren.“ In den kommenden Jahren werde es darum gehen, „wie wir intelligente Verteilstrukturen und intelligentes Lastverhalten hinbekommen. Dabei sind Speichertechnologien das `missing link´, das wir entwickeln und integrieren müssen.“

Die erneuerbaren Energien, allen voran Photovoltaik und Windkraft, böten einen hervorragenden Nährboden für neue Geschäftsmodelle. „Ich sehe hier ein enormes Potenzial. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, dass diese Technologien sich als Wachstums- und Innovationstreiber etablieren.“

Die Energiewende sei im Übrigen kein Thema für nationale Lösungen. Erforderlich sei ein EU-Binnenmarkt mit einem klaren EU-Rahmen. „Die Energiewende und die Versorgungssicherheit muss europaweit gedacht werden. Sie braucht Innovationen, Investitionen in die Netze, neue Geschäftsmodelle, eine industriepolitische Strategie und eine noch bessere Vernetzung der Akteure.“

Joachim Goldbeck, Geschäftsführer von Goldbeck Solar und Vorsitzender des Bundesverbandes Solarwirtschaft, wies darauf hin, dass in der Diskussion um die Energiewende drei Bereiche getrennt voneinander betrachtet sollten: Industrie-, Energie- und Umweltpolitik. „Industriepolitisch muss das Ziel sein, dass die deutsche Solartechnologie weltweit wettbewerbsfähig ist und bleibt. Energiepolitisch geht es um Versorgungssicherheit und Effizienz und – als neues Unterziel – die Transformation von zentralen zu dezentralen Versorgungsstrukturen. Und die umweltpolitischen Ziele sind Bewahrung unserer Umwelt und Klimaschutz. “

Energiepolitik Fehlanzeige

Was die umweltpolitischen Ziele angehe, sei man auf einem guten Weg. Industriepolitisch allerdings sei in den zurückliegenden Jahren wenig erreicht worden. „Und energiepolitisch wurden weder irgendwelche Ziele gesteckt noch erreicht.“ Die Folge: Die Photovoltaik in Deutschland sei in einem Wust von Gesetzen und Verordnungen gefangen.

„Die Kosten für Solarstrom sind seit den Anfängen um 80 Prozent gesunken. Die Gestehungskosten für Photovoltaik-Strom sind bei Vollkostenrechnung schon jetzt günstiger als Strom aus Gaskraftwerken. Dieses Modell wird heute weltweit genutzt, nur nicht in Deutschland.“ Hier sei die Politik gefragt. Sie müsse die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen strategisch unterstützen, so Goldbeck.

Vieles sei falsch gelaufen mit der Energiewende. So könne es nicht sein, dass ein Unternehmer, der 100.000 Euro in die Hand nimmt, um mittels PV-Eigenverbrauch 15.000 Euro im Jahr zu sparen, mit 2.400 Euro Abgaben belastet werde. Wer aber die gleichen Mittel in LED-Beleuchtung steckt und ähnliche Einsparpotenziale erzielt, müsse keinerlei Abgabe bezahlen.

Seine Forderungen an die Politik im Vorfeld der EEG-Novelle:

  • Keine Ausschreibungen für PV-Dachanlagen.
  • Keine Schlechterstellung von Mieterstrommodellen gegenüber Eigenverbrauch.
  • Das Zoll-Thema noch einmal prüfen.
  • Offenes Bekenntnis der Politik, dass Photovoltaik nach wie vor gewünscht ist.
  • Verlängerung der Speicherförderung.
  • Strom, der gespeichert wird, darf nicht mit Umlagen belastet werden.
  • Kleinverbraucher müssen am Strommarkt teilnehmen können.
  • Rohstoffe sollten dort, wo sie aus der Erde geholt werden, mit Umlagen belastet werden.

Dass PV heutzutage nicht mehr der Preistreiber sei, „das muss öffentlich gesagt werden – auch in Berlin“, resümierte Umweltminister Franz Untersteller. Und er teilte die Einschätzung, dass es um weitreichende Folgen für den Industriestandort Deutschland geht. „Die Frage ist doch, wie es uns gelingt, am anhaltenden globalen Boom der Photovoltaik wieder teilzuhaben, oder ob wir das anderen überlassen, zum Beispiel den Chinesen.“

 

Die Thesen

Der Solar Cluster Baden-Württemberg hat beim Solarbranchentag ein „Thesenpapier zur Solarenergie Baden-Württemberg 2020“ vorgelegt. Nachfolgend Auszüge.

I. Photovoltaik ist ein zentrales Element einer künftigen globalen Energieversorgung und die Voraussetzung für einen wirksamen Klimaschutz.

PV ist ein globaler Megatrend: Bis zum Jahr 2020 wird ein Weltmarktvolumen von mindestens 100 GW erwartet. Dies entspricht einem Umsatz von rund 110 Milliarden Euro allein für die PV-Module sowie zusätzlich in etwa dieselbe Größenordnung für Wechselrichter, Unterkonstruktion, Kabel und Installation.

Die Märkte wachsen vor allem außerhalb Europas: Bis zum Jahr 2012 war Europa der größte Markt weltweit mit einem Marktanteil von 59 Prozent, im Jahr 2013 ging der europäische Weltmarktanteil auf 29 Prozent zurück. Heute sind China, Japan und die USA die dynamischsten PV-Märkte weltweit. In vielen dieser wachsenden Märkte ist PV mittlerweile Kostenführer.

Photovoltaik in Deutschland lohnt sich: Die Stromkosten aus Photovoltaik liegen bei Großanlagen auch in Deutschland bereits auf oder unter dem Niveau neuer fossiler Großkraftwerke. Lokal selbst erzeugter Strom aus Photovoltaik ist in fast allen privaten wie gewerblichen Anwendungen deutlich günstiger als der Netzbezug. Dadurch entwickelt sich der Eigenverbrauch zu einem wesentlichen Geschäftsmodell.

Die Energieversorgung ist strategisch relevant und sollte Abhängigkeiten vermeiden helfen: Derzeit importiert Deutschland fossile Brennstoffe im Wert von fast 100 Milliarden Euro pro Jahr. Erneuerbare Energien bieten die Chance, diese historischen Abhängigkeiten aufzulösen.


II. Große Teile der baden-württembergischen Solarbranche sind nach wie vor gut aufgestellt, um an der dynamischen Entwicklung der PV teilzuhaben.

Marktchancen I: Deutsche Hersteller können international wettbewerbsfähig hochwertige PV-Komponenten (Silizium, Wafer, Solarzellen, Module, Wechselrichter, Aufständerungen etc.) produzieren. Die Politik sollte die Rahmenbedingungen so setzen, dass sich diese Produktion halten beziehungsweise weiter entwickeln kann.

Marktchancen II: Heute werden rund 50 Prozent der weltweit produzierten PV-Module auf deutschen und etwa die Hälfte davon auf baden-württembergischen Maschinen hergestellt. Diese Marktposition gilt es zu halten und auszubauen.

Marktchancen III: Die Integration dezentraler und fluktuierender erneuerbarer Energien gewinnt weltweit an Bedeutung. Deutsche Unternehmen haben langjährige Erfahrung in den Integrationsfragen; dieses Know-how sollte gestärkt und die internationale Verbreitung unterstützt werden.


III. Um Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Baden-Württemberg und Deutschland zu halten und zu schaffen, muss der politische Rahmen weiterentwickelt werden.

Die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen in Deutschland verhindern den weiteren Ausbau der Photovoltaik und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.

Hürden und Hindernisse

  • Das Image der Photovoltaik hat massiv gelitten, sie wird in der Öffentlichkeit zu Unrecht als Kostentreiber angesehen.
  • Ständig sich ändernde politische Rahmenbedingungen verunsichern Investoren und Bürger gleichermaßen und verhindern Investitionen.
  • Belastung Eigenverbrauch mit der EEG-Umlage
  • Die Projektierung von PV-Anlagen wird durch zahlreiche Gesetze und Vorschriften immer komplexer. Dies hält insbesondere ehrenamtlich getragene Marktteilnehmer und kleine Unternehmen zurück.
  • Unterscheidung zwischen Direktlieferung (volle EEG-Umlage) und Eigenverbrauch (30 – 40 Prozent EEG-Umlage)
  • Das öffentliche Haushaltsrecht benachteiligt in vielen Fällen eine Einsparung gegenüber einer einmaligen Investition.

Das Thesenpapier ist online abrufbar unter www.solarcluster-bw.de